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Webseiten von Sulzfeld und Biebelried: Ex-Azubis geben Einblicke in die Ausbeutung

Mein Kitzingen.de berichtete über die Webseite von Sulzfeld. Diese wurde der Gemeinde Sulzfeld kostenlos erstellt, jedoch um den Preis, dass in Potsdam junge Menschen in ihrer Ausbildung nur einseitige Tätigkeiten ausführen mussten und nicht ihren Lehrberuf in voller Breite kennen lernen konnten.

Soziale Medien und Internet sei Dank konnte Mein Kitzingen.de einige ehemalige und aktuelle Azubis der „PortUNA GmbH“ bzw. des „Fördervereins für regionale Entwicklung e.V.“ befragen. Die Personen sind Mein Kitzingen.de namentlich bekannt. Um sie vor Repressionen oder anderen Auswirkungen zu schützen, werden die Namen jedoch nicht veröffentlicht.

Mein Kitzingen.de: Wie viele Azubis arbeiten aktuell im Förderverein für regionale Entwicklung?

„Die aktuelle Zahl kenne ich nicht. Zu meiner Zeit waren es zwischen 15-20+ Azubis und mehrere Schülerpraktikanten. Die arbeiten nur daran, Inhalte einzugeben und sind unbezahlt.“

Mein Kitzingen.de: Von wem bekommen die Azubis ihren Ausbildungsvertrag? Gab es auch Azubis, die nicht von PortUNA bzw. vom Förderverein ausgebildet wurden?

„Die Ausbildungsverträge wurden nach Aufgabengebiet getrennt, sprich die Bürokommunikationsazubis sind beim Förderverein angestellt; alles, was mit Technik zu tun hat, also Design, Programmierung, HTML usw., war bei der PortUNA angestellt.“

Mein Kitzingen.de: Wie ist das Verhältnis von Förderverein und PortUNA? Gibt es da irgendwo eine sichtbare Trennung? Also zum Beispiel unterschiedliche Räumlichkeiten und unterschiedliche Führungspersonen?

„Alle sitzen in der gleichen Etage. Die Büroräume sind eher nach Abteilungen, also Grafik, IT, Kommunikation getrennt. Ansonsten konnte man nie eine Trennung aller Firmen erkennen, weil alle irgendwie zusammen gearbeitet haben.“

Mein Kitzingen.de: Nochmal anders gefragt: Wie stellt sich die Arbeitsteilung aus der internen Sicht zwischen Förderverein und PortUNA dar? Gibt es eine klare Arbeitsteilung?

„Wie angesprochen nehmen die Leute vom Förderverein die Aufträge entgegen und schieben diese dann weiter an die Leute, die unter der PortUNA GmbH arbeiten.
So ein Verein darf gesetzlich ja irgendwie nicht so mit Geld hantieren. Deswegen gibt es die PortUNA GmbH, die die vertraglichen Dinge regelt. Alles sind aber die gleichen Geschäftsführer. Dieses ganze „gemeinnützige/kostenlose“ Gesabbel über den Verein ist nur ein Anlocken der Kunden.
Man hatte eigentlich immer den Eindruck, dass alle zusammengehören. Ich denke, wenige Azubis haben dieses Geschäftsmodell hinterfragt.“

Mein Kitzingen.de: Was wird kommuniziert, wenn ein Kunde fragt, warum es die Webseiten kostenlos gibt?

*lacht*
„Wenn Kunden überhaupt nachfragen würden… Aber dank leerer Kassen in vielen öffentlichen Einrichtungen wird einfach das genommen, wo „kostenlos“ draufsteht. Wie man auch beim BER sieht, Bürgermeister, Politiker und Beamten sind komplett unfähig, technische Zusammenhänge zu begreifen. Und genau in dieser Nische sind die ganzen Webseiten von PortUNA. Aus Marketingsicht ist die Nummer mit dem Verein ideal: Menschen wollen sich ihre Entscheidungen gerne rationalisieren – ich bekomme etwas kostenlos und meine, ich tue was Gutes. Das ist einfach genial. Auf die Idee, hartnäckig nachzufragen kommt in den Ämtern niemand. Gibt ja auch keine Verwaltungsvorschriften dafür, was man tut, kritisch wegen der Auswirkungen zu hinterfragen.
Wenn Politik und Beamtentum mal irgendwann doch mal checken, wie der Hase läuft, ändert sich in der Regel auch nichts: Niemand ist ein besserer Kunde als eine öffentliche Verwaltung, die zu träge ist, eine einfache Kündigung zu schreiben.
Und die Webseiten sind keineswegs kostenlos: Der Clou sind die total überteuerten Hostingkosten von 15€/Monat, die dann über die PortUNA GmbH laufen. Die Hostingkosten werden dann eben angesprochen, was für einen Laien wahrscheinlich erstmal nicht viel klingt.
Wie die Leute am Telefon die Sache plausibel erklärt haben, weiß ich leider nicht. Ich verstehe es selber nicht. Die Rede war ja immer von einem Förderprogramm, aber das war doch nur Gesabbel. Wer sollte dann denn etwas fördern? Wer sich diese Frage im Betrieb stellte, fand keine Antworten.“

Mein Kitzingen.de: Warum haben Sie eine Ausbildung beim Förderverein gemacht?

„Ich brauchte eine Ausbildung. Als ich angefangen hatte, war alles noch etwas kleiner und auf den ersten Blick sah es ganz okay aus.“

Mein Kitzingen.de: Wie lief dann ein typischer Tag ab, nachdem Sie begonnen hatten?

„Pünktliches Erscheinen bis 8:30 war strikte Voraussetzung. Die Zeit wurde übrigens per Fingerabdruck genommen. Dann ging es an den Arbeitsplatz, der zugegeben geräumig war. Das Gebäude an sich war aber direkt im unattraktivem Industriegebiet. Es gibt ein selbstgebautes Tool, in dem alle Webseitenaufträge gelistet sind, man wählt sich einen Auftrag aus und beginnt. Persönliche Briefings gibt es nicht. Einige Infos/Kundenwünsche wurden von den Kaufleuten in das Tool eingetragen.“

Mein Kitzingen.de: Die Webseiten sehen ja alle mehr oder weniger gleich aus. Gab es direkte Zielvorgaben an die Azubis?

„Ja. Aufgetragenes Ziel war bei den Mediengestaltern beispielsweise zwei Templates am Tag zu erstellen – Fließbandarbeit. Für Kreativität hatte man schlichtweg keine Zeit.“

Mein Kitzingen.de: Wie werden die Themes „nach Kundenwünschen“ angepasst? Hat man hier den Mediengestaltern gezeigt, wie man ein komplettes Webseitendesign von vorne bis hinten baut oder war das alles schon fertig?

„Naja, man kann die Webseiten ja sehen: Große individuelle Anpassungen gibt es nicht. Die Navigation konnte man mal von links nach rechts schieben; kreative Ausflüge oder benutzerfreundlichere Features wurden durch die Vorgesetzten wegen „Mehrarbeit“ immer abgeblockt. Den Kunden wurde einfach gesagt, ihre Wünsche wären nicht umsetzbar. Alles musste so schnell und so einfach wie möglich gemacht werden. Natürlich nimmt man da fertige Frameworks und CSS-Dateien, in denen nur die verschiedenen Größen und Farbwerte angepasst werden müssen.“

Mein Kitzingen.de: Wir schlossen aus vielen, vorwiegend eigenen Quellen des Fördervereins, dass Azubis die Inhalte in die CMS einpflegen. Können Sie das Bestätigen?

 „Ja. Und die unbezahlten Praktikanten.“

Mein Kitzingen.de: Können Sie uns sagen, wie viel diese eintönige und stupide Inhaltseingabe in CMS von der Ausbildung ausmacht?

„Teilweise einen großen. In der Regel haben diese Arbeit die Praktikanten übernommen. Wenn aber keine da waren, mussten zum Beispiel die Kaufleute dies selber erledigen. Bei der Fülle an Projekten eine Herkules-Aufgabe. Gerne wurden auch Azubis aus anderen Bereichen zur Eingabe gebeten, „um das CMS kennenzulernen“. Nach einer Woche und 20 Webseiten kennt man es aber in- und auswendig.“

Mein Kitzingen.de: Der Förderverein behauptet, „individuelle Lernangebote für besonders lernschwache Azubis“ anzubieten. Gibt es diese Angebote wirklich?

„Diese Formulierung ist schon sehr übertrieben.
Es gab einen Deutschkurs, für die Leute, die Kundenkontakt hatten. Der bedeutete im Wesentlichen, Hausaufgaben zu bekommen, weil während der normalen Arbeitszeit wegen der Zielvorgaben keine Zeit dafür war. In einem Fall gab es sogar eine Abmahnung, weil die Aufgaben nicht erledigt wurden. Sehr zweifelhaft war das damals, denn es gibt ja dieses 11 Stunden Freizeit-Gesetz.
Ein Buchhaltungstreffen, in dem einige Sachen aus der Schule durchgesprochen wurden, fand auch noch statt. Das entstand aber nur durch Nachfrage einiger Azubis und findet ebenfalls außerhalb der Arbeitszeit statt.
Also das als „Lernangebote“ anzupreisen, ist sehr übertrieben.“

Mein Kitzingen: Es gibt laut Förderverein drei Lehrberufe, die sich mit den Webseiten befassen: Kaufmann/frau für Bürokommunikation; Mediengestalter/in Digital/Print; Fachinformatiker/in Anwendungsentwicklung. Was machen die einzelnen Lehrberufe an den Webseiten oder ist das egal?

„Das stimmt.
Bürokommunikation beschäftigt sich mit den Kunden. Nimmt die Anfragen entgegen, kümmert sich um die Datenbeschaffung für die Webseite. Steht als Ansprechpartner bereit. Ein/e Kaufmann/frau hat zwischen 80 und 100+ Projekte gleichzeitig. Fungiert als Schnittstelle zwischen Kunde und Mediengestalter. Kümmert sich um die Befüllung der Webseite durch Praktikanten oder alleine.
Die Mediengestalter setzen die Projekte in grafischer Form um. Ziel sind 2 Templates/Tag. 10/Woche. Bei vier Grafikern 40 Templates in der Woche.
Die Informatiker setzten das Template ins HTML um. War zu meiner Zeit das kleinste Team. Ein Informatiker musste mehr als zwei Templates umsetzen. Die genaue Zahl weiß ich nicht mehr.
Geben die Daten ans Hosting weiter.
Fertig. Jeweils ein sehr sehr geringer Teil der Fülle eines Ausbildungsberufes.“

Mein Kitzingen.de: Im Rückblick: Was hat Ihnen der praktische Ausbildungsteil für Ihre persönliche Entwicklung gebracht?

 „Einen IHK-Abschluss und die Fähigkeit, mich gezielt selbst zu bilden. Die Fähigkeiten, die bei PortUNA nötig waren, hatte ich vorher schon. Neues habe ich entweder in der Berufsschule gelernt, oder mir zuhause und in privaten Projekten beigebracht. Anders ging es nicht. Andere Azubis, die weniger selbstständig waren und den Betrieb verlassen haben, hangeln sich immer noch durch Praktika oder schaffen es nicht durch die Probezeit und sind arbeitssuchend, weil ihnen wichtige Qualifikationen fehlen, die sie eigentlich während der Ausbildung hätten lernen sollen.“

Mein Kitzingen.de: Uh. Das klingt ja danach, als ob es keine Ausbilder gäbe, die bei fachlichen Problemen bereit stehen, um Dinge zu zeigen oder zu erklären bzw. allgemein zu helfen?

„Richtig. Die Betreuung ist schlecht. In der Regel helfen Azubis anderen Azubis. Die Ausbilder antworten pampig oder genervt, so dass man diese gar nicht fragen möchte. Fachlich fehlt generell das Know-How, auch bei den Ausbildern. Sieht man wohl auch am allgemeinen Auftritt des Betriebes.“

Mein Kitzingen.de: Wie waren denn PortUNA / Förderverein personell aufgestellt?

„Es gibt drei Geschäftsführer und drei Festangestellte. Die Festangestellten arbeiten quasi als Teamleader oder Abteilungsleiter, wenn man so will. Es gibt 15 bis 20+ Azubis, die, wenn man so will, die Abteilungen sind.“

Mein Kitzingen.de: Wenn man nichts erklärt und gezeigt bekommt und nur stupiden Tätigkeiten nachgeht, muss man richtig viele Webseiten in einer Ausbildung erstellt haben. Was kommt da so zusammen?

„Naja, das hängt vom Lehrberuf ab. Wie schon erwähnt, haben Mediengestalter so etwa zwei Templates pro Tag. Die kommen dann rechnerisch auf 400 bis 500 Templates. Ein Informatiker wird wohl locker das Doppelte an Webseiten umgesetzt haben. Wie gesagt, es sind einfache sich wiederholende Arbeiten.“

Mein Kitzingen.de: Wie ist denn die Personalführung? Haben Sie sich trotzdem fair behandelt gefühlt?

„Wenn man Liebling der Führung ist, wird man gut behandelt. Wenn man Missstände und Dinge, die nicht so gut laufen, anspricht, wird man nicht mal mehr auf dem Flur gegrüßt. War man generell ehrlich und es hat der Geschäftsführung nicht gepasst, war man verloren. Und es gab viele Dinge anzusprechen: Alleine der technische Stand ist aus den 1990ern. Arbeitsequipment und CMS sind total veraltet. Also waren da immer Streitigkeiten mit der Führung. Ehrlichkeit wurde einfach nur bestraft.“

Mein Kitzingen.de: Der Förderverein behauptet, die einzige Möglichkeit für überbetriebliche Azubis auf einen praktischen Ausbildungsteil zu sein. Nachdem Sie Ihren Abschluss bereits ein paar Jahre hinter sich haben, wie praxisnah schätzen Sie die Ausbildung ein?

„Bullshit.
Wenn man solche Arbeiten mit normalen Geschäftsmodellen in der Privatwirtschaft verkaufen wollte, würde man keine Woche überleben.
Die haben sich ja irgendwie ihre ganz eigene Praxis erschaffen – schnell und einfach und immer nur das Gleiche. Deren Anspruch ist ganz anders als in der normalen Berufspraxis im Bereich Webdesign, Webseitengestaltung und digitale Medien.
Der Ausbildungsinhalt reicht vorne und hinten nicht, um sich als praxisnah beschreiben zu lassen.“

Mein Kitzingen.de: Wenn Sie heute nochmal eine Lehre anfangen würden, würden Sie diesen Weg erneut wählen?

„Zumindest den gleichen Beruf, ja. Jetzt paar Jahre später arbeite ich sehr glücklich in Berlin und habe keinerlei vergleichbare Probleme. Sollte ich nochmal eine Lehre anfangen, würde ich mich wohl mehr informieren. Wobei es Plattformen wie kununu damals leider noch nicht gab.“

Hinweis: Dieses Interview ist eine Collage aus mehreren Interviews unterschiedlicher Personen, welche bei PortUNA bzw. dem Förderverein eine Lehre zumindest angefangen haben. Die meisten Angaben der Personen stimmen überein und bestätigen sich unabhängig von einander. Personenindividuelle Details wurden so weit nötig zwecks Quellenschutz anonymisiert.