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„Wohnraumkonzept“ – Stadt verschwendet 47.600€ für Worthülsenfeuerwerk

Nach einem Antrag der KIK-Fraktion, ein Wohnraumkonzept erarbeiten zu lassen, ist nun dessen Ergebnis verfügbar. Der Haken dabei: Das Wohnraumkonzept enthält aber gar kein konkretes Ergebnis, sondern ist eher eine fehlerbehaftete Sammlung von Statistika und Allgemeinplätzen.

Am 14.11.2013 bekam Bürgermeister Christof von vielen Fraktionen ein Lob ausgesprochen, als er beantragte, ein Wohnraumkonzept zu erstellen. Gut vorbereitet, hatte er auch schon die Anforderungen an ein solches Konzept ausgearbeitet. Doch mit dem fertigen Konzept ist Christof nach 2 Jahren überhaupt nicht mehr zu frieden:

„KIK hat diese Analyse beantragt und initiiert. Gerade deswegen haben wir viele Erwartungen mit dem Gutachten verbunden und auf die Aussagen gewartet, um mit diesen Ergebnissen eine gezielte Wohnraumpolitik für die Stadt Kitzingen entwickeln zu können.Umso größer war die Enttäuschung über das Resultat.“

„Die dürftigen Feststellungen ergehen sich in bekannten Allgemeinplätzen, beziehen sich auf bekannte Statistiken, ohne die spezifischen Umstände in Kitzingen zu würdigen, zum Beispiel die Verwendung der Marshall Heights konkret zu beantworten oder dazu Aussagen zu treffen. Fazit: Wieder ein teures Gutachten für die Schublade.“

Doch wie konnte es dazu kommen?

In einem achtseitigem PDF hatte Anfang 2013 Christof die Anforderungen an das Wohnraumkonzept sehr tiefgreifend definiert. Diese Datei kann hier abgerufen werden: KIK_Wohnraumkonzept_kurz.pdf.

In sieben Hauptpunkten legte Christof fest, welche Inhalte das Gutachten haben sollte und untermauerte diese Hauptpunkte mit einzelnen Fragestellungen.

Hauptpunkte für das Wohnraumkonzept Christof
Hauptpunkte für das Wohnraumkonzept Christof
Ausdefinierung eines einzelnen Punktes mit weiteren Fragen
Ausdefinierung eines einzelnen Punktes mit weiteren Fragen

Aus dieser achtseitigen Sammlung von Fragen, gegliedert nach Hauptpunkten, blieb anscheinend nichts übrig. Nicht einmal die durchdachte Gliederung. Zwar hat das Gutachten auch 7 Hauptpunkte, doch deren Aufbau unterscheidet sich grundsätzlich.

Inhalt des Wohnraumkonzeptes, Seite 2
Inhalt des Wohnraumkonzeptes, Seite 2
Forsetzung des Inhaltsverzeichnis, Seite 3
Forsetzung des Inhaltsverzeichnis, Seite 3

Interessanter wird der Vergleich erst am allerersten Beispiel: Während Christof eine konkrete und knappe Zielformulierung abgibt, wird daraus im Gutachten eine ganze Seite befüllt:

Zielsetzungsformulierung durch Christof
Zielsetzungsformulierung durch Christof
Aufgabenstellung im Wohnraumkonzept
Aufgabenstellung im Wohnraumkonzept

Das Gutachterliche Aufblasen der Mücke zum Textmonster hat in diesem Gutachten System: Zuerst kommt eine Beschreibung von Kitzingen. Nach dieser langatmigen – und in Teilen auch falschen Einführung; denn die Konversionsflächen liegen fast alle nicht in der Stadt, sondern an den Stadträndern – wird beschreiben dass dieses Textmonster sich als Entscheidungsgrundlage sieht.

Als Entscheidungsgrundlage komplett ungeeignet: aufgeblasenes Textmonster

Wer nach Rat bei einer Wohnungsbaulichen Entscheidung sucht, kann die ersten 39 der 88 Seiten eigentlich gleich Überspringen. Diese enthalten nichts Wesentliches, was man als Entscheidungsgrundlage verwenden könnte, dafür aber eine Menge textreicher, wohlwollend klingender Passagen. Wir haben hier mal einige Beispiele rausgesucht:

Kitzinger dürften wissen, dass es Kasernen hier gab und die Kasernen mal US-Soldaten beherbergten. Diese rund zwei Absätze wiederholen zudem die Aufgabenstellung.
Kitzinger dürften wissen, dass es Kasernen hier gab und die Kasernen mal US-Soldaten beherbergten. Diese rund zwei Absätze auf Seite 5 wiederholen zudem die Aufgabenstellung.

Interessant sind bei dem oben gezeigtem Abschnitt die Feinheiten. In einem Gutachten, dass 46.700 Euro Auftragswert hatte, sollte man erwarten können, dass der Gutachter den feinen Unterschied zwischen Stadtgebiet und Flurgebiet kennt und diesen in seinen Formulierungen einarbeitet. Würde man Kitzingen nicht kennen und nur das Gutachten lesen, müsste man zu dem Schluss kommen, dass die Kasernen in der Innenstadt liegen. Insofern muss man schon nach 5 Seiten die Expertise des Gutachters in Zweifel ziehen, denn entsprechend erwartbare Fachbegriffe fehlen in dem Gutachten weitestgehend.

Erster Teil dr Langatmigen Standortbeschreibung aus dem Wohnraumkonzept Seite 6
Erster Teil der langatmigen Standortbeschreibung aus dem Wohnraumkonzept; Seite 6
Zeiter Teil der sehr langatmigen Standortbeschreibung im Wohnraumkonzept auf Seite 7
Zeiter Teil der sehr langatmigen Standortbeschreibung im Wohnraumkonzept auf Seite 7, auf Seite 8 folgt ein selbstgezeichneter Stadtplan im Querformat und auf den Seiten 9 bis 12 werden die Stadtteile einzeln beschrieben.

Die Seiten 6 bis einschließlich 12 werden nur für die Beschreibung Kitzingens gebraucht. Ein Fremdverweis, zum Beispiel auf die Standortbeschreibung auf kitzingen.info, der Webseite der Stadt, passiert genausowenig wie ein Fremdverweis auf einen Stadtplan, so dass ein selbstgezeichneter Stadtplan mit den einzelnen Ortsteilen auch noch einmal eine ganze Seite im Querformat füllt. Man muss davon ausgehen muss, dass der Gutachter diese 6 Seiten weitestgehend selbst recherchiert und geschrieben hat. Wenn man 88 Seiten des Gutachtens zu Grunde legt, so müsste man zu dem Schluss kommen, dass hier etwa 3.200€ der 46.700€ für eine Neuerstellung der Standortbeschreibung in diesem „Wohnraumkonzept“ ausgegeben wurde, ohne einen Mehrwert oder ein neues interessantes Faktum zu bieten.

Gefolgt wird diese langatmige Beschreibung des Standortes von etwa eineinhalb Seiten Text um eine Abbildung der Baudenkmäler in der Kitzinger Innenstadt. Die stellt zwar an sich eine relevante Information dar, da aus Denkmalschutzbeschränkungen auch Folgen für den Wohnraum ableitbar sind. Doch statt diese Folgen auszuführen, wird der Text mit einem Anriss der Entstehungsgeschichte aus dem Mittelalter aufgeblasen. Die Schreibweise ähnelt der eines touristischen Stadtführers.

Bevölkerungsprognose wird ungefragt übernommen

Auf den Seiten 14 und 15 findet man dann die Bevölkerungsentwicklung und Prognose des Statistischen Landesamtes bis 2032. Ohne weitere Ausführungen zum Warum übernimmt der Gutachter diese Prognose. Am Ende bleibt der nicht nachvollziehbare Eindruck, dass die Kreisstadt Kitzingen sich gegenüber dem Landkreis, dem Regierungsbezirk Unterfranken und sogar verglichen mit Bayern am schlechtesten entwickeln soll, dabei soll in Kitzingen die Bevölkerung um 6% zurückgehen und im Landkreis nur um 2 %. Interessant ist auch, dass der Gutachter die Grafik in seiner eigenen Grafik mit einer exponentiellen Kurve abfallen lässt und keinen Linearen Bevölkerungsrückgang annimmt; auch dazu keine weitere Ausführung in der sonst so textüberladenen Ausarbeitung.

Pendlerbeziehungen nur als Saldobetrachtung

Im nächsten Punkt bezieht sich der Gutachter auf eine Pendlererhebung aus dem Jahr 2011. Doch hier stellt er nur fest, dass Kitzingen mehr „Beschäftigte am Arbeitsort“ wie „Beschäftigte am Wohnort“ hat und bildet daraus ein Pendlersaldo. Das ist so gesehen schon fragwürdig, denn die Pendlerstöme werden eigentlich nach Ein- und Auspendlern erfasst. Bei einem Saldo könnte man auch den alten Witz „Sind 2 Leute in einem Raum, gehen drei raus.“ erzählen. Das Salso wäre -1.

Nachdem sich der Gutachter damit nicht lange aufhält, zählt er auf der nächsten Seite alle möglichen Arbeitgeber auf. Aber auch hier bleibt es leider beim reinen Namedropping, eine Tabelle, die seine Priosierung nach „größten Arbeitgeber“ und „weiteren größeren Arbeitgeber“ rechtfertigt gibt es nicht. Nicht mal ein klares Kriterium für die Nennung, denn so wird die VR-Bank genannt, die wuchtige Sparkasse aber nicht, obwohl man hier deutlich mehr Personal an den Schaltern sehen kann und es gleich mehrere Filialen gibt. Die These das Kitzingen ein besonderer Bankenstandort sei, kann man eigentlich unter der Prämisse wegbuchen: Kitzingen ist Kreisstadt, da sind halt paar Banken mehr ansässig.

Was wiederrum fehlt ist eine Aufgliederung der Arbeitsplätze der hier lebenden Menschen nach Sektor, ggf. sogar nach Branche in der sie beschäftigt sind. Wenn man dann noch die Kitzinger Gehaltspyramide dazu geben würde, wäre man sehr viel näher dran an dem, was die arbeitstechnischen Lebensumstände der Kitzinger ausmacht. Die Namen von Firmen und deren Größe beschreibt leider nicht im Ansatz die genauen Lebensumstände.

Statistik der Auszubildenden ist fehlerhaft dargestellt

Unter dem Punkt Ausbildungsplätze wird zuerst eine Grafik von der IHK übernommen. Doch diese Grafik ist nicht wirklich aussagekräftig: Im ersten Moment fragt man sich, ob der Gutachter wirklich im Ernst die Gesamtzahl nochmal oben auf die Aufteilung draufgesetzt hat. Denn dadurch verdoppelt sich die Säulenhöhe, was hier aber wieder mit einer angepassten Skalierung ausgeglichen wird. Die Grafik ist dadurch unlesbar und dass ein Gutachter, der Prognosen über die nächsten 15 jahre erstellen soll, das ungeprüft übernimmt, disqualifiziert das Gutachten an sich.

Ausbildungsplatzstatistik; die Säule der Gesamten Auszubildenden steht auf den beiden Säulen für die Teilbereiche "gewerblich-technisch" und "kaufmännisch"
Ausbildungsplatzstatistik; die Säule der Gesamten Auszubildenden steht auf den beiden Säulen für die Teilbereiche „gewerblich-technisch“ und „kaufmännisch“

Ein weiterer Fehler an der Stelle ist, dass zum Beispiel die ganzen sozialen, handwerklichen und anderen Ausbildungsberufe gar nicht beschrieben werden; denn dafür sind Handwerkskammer und andere Institutionen zuständig. Aber schon auf der dünnen Grundlage der IHK-Statistik schreibt der Gutachter folgenden Text:

Nur auf der Datengrundlage einer einzelnen Kammer solche Aussagen zu bringen ist unseriös.
Nur auf der Datengrundlage einer einzelnen Kammer solche Aussagen zu bringen ist unseriös.

Denn nur, wenn man die Situation und Entwicklung aller Bildungswege beleuchtet, kann man Rückschlüsse daraus ziehen, wie die nächste Generation von Arbeitern ausgebildet sein wird und wie diese als Folge daraus verdienen und wohnen wird. Doch die Betrachtung höherer Bildungswege, wie zum Beispiel der eines Studiums, geschieht hier nicht und wird, wie man oben lesen kann, sogar leicht negativ dargestellt.

Dumme Industriearbeiter aus leistungstarken Schulabgängern?!?

Es wird in dem Gutachten auf Seite 18 sogar darauf gedrängt, Personen, die ein Studium erreichen könnten, in einen Ausbildungsplatz zu senden.

Leistungsstarke sollen in Ausbildungspläte statt ein Studium anzufangen.
Leistungsstarke sollen in Ausbildungspläte statt ein Studium anzufangen. Eine Strategie, die vielleicht der Wirtschaft am Standort; aber nicht der betreffenden Person für die Zukunft hilfreich ist.

Man kann diesen Absatz eigentlich schon als verachtend gegen alle Schulabgänger betrachten. Denn wer sein Potential nicht voll ausschöpft und in eine Lehre geht statt den Weg zum Studium zu nehmen, wird langfristig eher als Industriearbeiter statt als Ingenieur, Konstrukteur und Forscher zu arbeiten. Er wird weniger verdienen und eine stadtweite Strategie zur Verringerung der Ausbildung vor dem Berufseintritt, wie hier vorgeschlagen, dürfte in 10 bis 20 Jahren auch durch die deutlich geringeren Löhne als Bumerang die Stadtkasse sowohl über die direkten Steuern als auch über den geringeren Konsum treffen.

Leistungsstarken Schulabgängern dann auch noch zu unterstellen, dass diese sich Ihre Zukunftsplanung durch Werbemaßnahmen für eine duale Ausbildung verdrehen lassen würden, krönt dann die Verachtung, die der Gutachter den höheren Bildungsschichten entgegenbringt.

Wohnungsmarktentwicklung und einfache wirtschaftliche Zusammenhänge?

Der Gutachter schreibt in seiner Ausarbeitung, dass die Wohnungsmarktentwicklung wegen Innopark und ConneKT wieder anziehen würde:

Wohnungsmarktentwicklung
Die Wohnungsmarktentwicklung soll wegen Innopark und ConneKT wieder angezogen haben.

Wenn man sich mit den wirtschaftlichen Auf und Abs der letzten Jahre befasst, kommt man eher zu einer Erklärung der stark schwankenden Bautätigkeit, doch dafür muss man vielleicht auch über den Teller hinaus sehen. In einer Phase der Unsicherheit, wie beispielsweise der letzten Finanzkrise, wird keiner ein jahrzehntelanges Investitionsprojekt, wie den Bau eines Hauses beginnen. Am Feuerwehrturm hing ein großes Plakat „Fehrer ohne Produktion ist für die Region ein Hohn!“. Wenn 1000 Mitarbeiter plötzlich nichts mehr zu tun haben, werden sie alle keine großen Pläne für Hausbau machen. Derzeit scheint die wirtschaftliche Lage stabil, weshalb sich der Hausbau wieder normalisiert haben dürfte. So weit hat das weder etwas mit dem Innopark noch mit ConneKT zu tun.

Diese einfachen wirtschaftlichen Zusammenhänge werden in dem Gutachten nicht gewürdigt. Und deswegen versucht sich der Gutachter an einer Erklärung über den Innopark oder ConneKT und einer zukünftigen Ansiedlung von Schaeffler, was Unsinn ist, denn ein Lagerarbeiter, der erst in 2 bis 3 Jahren hier vielleicht arbeitet, baut hier noch kein Haus, sondern mietet eine Wohnung, wenn es dann so weit ist. Hier Zusammenhänge herzustellen ist gewagt und wahrscheinlich falsch.

Dies gilt eben auch für alle Schlussfolgerungen die auf der Annahme getroffen werden, dass hier Gewerbeansiedlungen für den neuerlichen Bauboom bei den Wohnungen verantwortlich wären und nicht die Stabilisierung der Wirtschaft – und damit auch die Stabilisierung eines der „größten Arbeitgeber“, wie zuvor geschrieben.

Es ist traurig, dass sich hier der Gutachter an Marktmodellen versucht, aber einfache Wirtschaftliche Zusammenhänge nicht erkennt. Zumal der Gutachter hier schon einen Ausblick gibt, sich aber nach seinem eigenem Inhaltsverzeichnis noch in der Beschreibung des Ist-Zustands befindet.

Nicht nachvollziehbare Angaben zu Wohnraumpreisen

Der nächste Abschnitt enthält Angaben zu den Wohnraumpreisen in Kitzingen. Was kostet ein Grundstück, was kostet ein Haus und wie hoch ist der Mietpreis, auch im Vergleich zu Nachbargemeinden. Eine Angabe, woher diese Daten stammen, wie viele Objekte zur Bildung der Durchschnitte einbezogen wurden und in welchen Lagen findet man keine Angaben. Gerade dies zeichnet aber eigentlich Gutachten aus, dass ihre Ergebnisse begründet und nachvollziehbar sind.

Gespräche mit Maklern als Grundlage für Gutachten

Fast ausschließlich aus Telefonaten mit Maklern begründen sich die Einschätzungen des Gutachters zu den „nachgefragten Qualitäten“. Hier werden bis auf den aktuellen Anteil der Sozialwohnungen und ein Histogramm der Baufertigstellungen kaum Zahlen genannt, lediglich „Trendlagen“ und allgemeine Nachfrage beschrieben.

Dass Gespräche mit Maklern nicht repräsentativ, wahrscheinlich nicht mal objektiv sind, so lange man keine konkreten Vermittlungszahlen je Objekttyp abfragt, wird hier durch die allgemeine schwammige Textflut kaschiert. Singles bräuchten 1-2 Zimmerwohungen, Alte wohnen nicht nur in betreuten Wohnungen sondern auch manchmal allein, Familien brauchen 80m², Geschosswohnungen gehen nicht so toll weg. Man könnte dem Absatz ein sarkastisches „Ach was?!?“ hinzufügen.

Ebenfalls – auch politisch auf die Marschall-Heights Konzeption des Investors Wittmann gerichtet – wird festgestellt, dass der Versuch von Studentenwohnungen im Innopark nicht realisiert worden ist.

Die Grafik mit den Baufertigstellungen hat sich im Absatz etwas verlaufen und wäre im Abschnitt Wohnungsmarktentwicklung besser aufgehoben gewesen. Diese untermauert die oben entgegengestellte Vermutung mit der Wirtschafts- und Finanzkrise (bzw. der Kitzinger Fehrer-Krise), da alle aufgefürten Nachbargemeinden ebenso von einem Rückgang und einer Wiederaufnahme der Bautätigkeit unterworfen waren. Aber bereits anhand der Statistik mit den Auszubildenden ist ausreichend nachgewiesen, dass der Gutachter den Umgang mit Zahlen nicht gerade versiert ist.

Ist eine Leerstandserhebung eine Datenschutzverletzung wert?

Wenn man den Bericht über die Leerstandserhebung liest, kann man meinen, es handelt sich um eine kleine Posse. Es gab kein Leerstandskataster. Also wurde in der Innenstadt herumgelaufen. Doch welch Wunder, so lies sich der Leerstand nicht ermitteln. Dann hat die Stadt Fragebögen an die Eigentümer verschickt, doch davon kamen zu wenige zurück. Und dann hat man den Leerstand durch Stromzähler erfasst, die zu wenig Strom verbrauchen.

Das ist insofern bedenklich, weil wenn für ein drittklassiges Gutachten der Stadt die Stromzählerdaten der LKW diese in Richtung Dritter verlassen, so muss man sich fragen, welche Rückschlüsse dann erst die gezogen werden, wenn solche Auswertungen regelmäßig und über verschiedene Zähler hinweg getätigt werden. So könnte man einen Familienhaushalt klar von einem Single-Haushalt unterscheiden, der Beziehungsstatus eines Singles festgestellt werden, usw.

Stromanschlussinhaber – und davon dürften alle in Kitzingen betroffen sein – könnten sich nun mit einer Klage gegen die LKW wegen der ungefragten Weitergabe von Zählerdaten an Dritte wenden. Denn die Zählerdaten geben, wie man hier sieht, viel über die Wohnung und Ihre vorhandenen oder nicht vorhandenen Nutzer Preis. Insbesondere, da dies, wie aus dem Gutachten kenntlich wird, sogar so erfolgt sein soll, dass man auf ein Gebäude zurückschliessen konnte. Und in Straßen mit sehr wenigen Häusern, könnte bereits die straßenweise Liste, die dem Gutachten anhängt, Rückschlüsse auf einzelne Bewohner bieten. Ein wirklich heikles Unterfangen, nur weil man mal einen exakten „Leerstand“ ermitteln will.

Anscheinend war aus den Daten eine Rückführung auf das einzelne Gebäude möglich; Das ist datenschutzrechtlich inakzeptabel sein.
Anscheinend war aus den Daten eine Rückführung auf das einzelne Gebäude möglich; Das wird datenschutzrechtlich inakzeptabel sein.

Und ein geringer Verbrauch ist noch lange kein Zeichen für einen Leerstand: Urlaubs- bzw. Zweitwohnungen oder Mitarbeiter, die permanent entsendet wurden und nur gelegentlich in ihren eigenen Wohnungen leben; Arbeitnehmer, die nur am Wochenende heimkommen und viele andere Fälle haben entsprechenden Einfluss auf den Verbrauch; so dass eine stromverbrauchsdefinierte Leerstandserfassung auch ihre statistischen Tücken hat. Dazu kommt, dass durch den Anschluss von kleinen PV-Anlagen zum Eigenverbrauch die Erfassung von Verbrauch und Erzeugung teilweise verschwimmt und nur noch ein Saldo gemessen wird. Und wenn man hier den Wasserverbrauch mit dem Stromverbrauch zusammenführt, müsste man zwar auf eine höhere statistische Genauigkeit kommen, dafür ist der Konflikt mit den in Deutschland strengen Datenschutzgesetzen noch größer, denn Zusammen ermöglicht es noch tiefere Einblicke.

Zum Abschluss dieser Sektion gibt es dann eine Karte, über die man auch wieder schmunzeln muss.

Leerstand in Kitzingen nach Stadtteilen
Leerstand in Kitzingen nach Stadtteilen

So wird zum Beispiel ein Leerstand für den Richthofen-Circle berechnet und angegeben, was für eine Hotel- und Reitanlage eigentlich hinreichend unsinnig ist. Anscheinend wiederlegt wird mit dieser Statistik die „Trendlage“ der Makler am Eselsberg, wo nahezu 6% Leerstand herrschen sollen. Dies kann jedoch aufgrund der gehobenen Einkommenverhältnisse im Eselsberg und durch das Auszählungsverfahren mit Stromzählern passiert sein; denn wer es sich leisten kann in den Spitzenlagen des Eselsberg eine Immobilie zu besitzen, kann auch den Winter in sonnigen Südländern verbringen und verbraucht „daheim“ dann keinen Strom. Auch wiederlegt ist das wenig-objektive Maklergespräch, demnach sich hochverdichtete Geschossbauten nicht mehr vermieten lassen würden: Das Buddental mit seinen hoch aufragenden Geschoßbauten entlang der Keltenstraße weißt weniger wie 3% Leerstand aus. Das Einzig wirklich überraschende ist, dass die Altstadt angeblich mehr Leerstand wie die Siedlung hat. Wobei hierzu die Angabe fehlt, ob die bereits entmieteten Wohnungen der Stadtbau in der Siedlung gezählt wurden oder nicht.

Nachverdichtung auf albernen Abwegen in Flutgebieten

Analysierte Wohnbaupotenziale im Mühlbergviertel
Analysierte Wohnbaupotenziale im Mühlbergviertel; rote Flächen: Wohnbaupotenziale

Anschließend werden der Reihe nach Flächen durchgekaut, die der Stadt oder der Stadtbau gehören und derzeit nicht bebaut sind. Diese Flächen sind zum Teil relativ albern, wer würde schon dort bauen wollen, wo heute die bayWa steht? Einmal im Jahr einen nassen Keller, keine Hochwasserversicherung die man sich hier je leisten können wird? Wäre es nicht sinnvoller – sofern die BayWa irgendwann mal geht – hier das attraktiv gestaltete Mainufer mit der parkänlichen Gestaltung im Bereich der Schulen durchgängig zu verbinden und Platz für das Hochwasser zu lassen, statt auf der letzten Kannte am Main noch eine Wohnsiedlung hinzuquetschen?

Hat der Gutachter eigentlich je die markierten Wasserstände am jungstil mal gesehen?

Förderprogramme und anderes

Die Seiten 31 bis 35  stellen im wesentlichen nur vorhandene Förderprogramme vor. Auch hierdraus entsteht kein Mehrwert. Zumal die Förderprogramme zum Teil von den jeweiligen Fördermittelgebern auf deren jeweiligen Webseiten besser, verständlicher und anwendbarer vorgestellt werden.

Ab Seite 36 bis 38 wird nur noch auf die Anzahl der sozialen Einrichtungen sowie Freizeitmöglichkeiten eingegangen, wer sich in Kitzingen auskennt erfährt hier auch nichts neues. Wobei die Abschnitte zu Freizeit  und Kultur so knapp gefasst sind, dass viel wesentliches und prägendes gar nicht erwähnt wird. Man hätte es also auch bleiben lassen können.

Hälfte des Gutachtens geschafft

Der zweite wesentliche Punkt, die Prognose der Bevölkerungsentwicklung beginnt nun auf Seite 39. Ziel dieses Abschnittes:

Dieunterschiedlichen Prognoseszenarien des Wohnraumkonzeptes
Die unterschiedlichen Prognoseszenarien des Wohnraumkonzeptes

Es sollen also 3 Varianten untersucht werden. Die dritte Variante verspricht sehr interessant zu werden, da sie die Realisierung der Marshall Heights vorraussetzt. Etwas ausführlicher werden die Varianten im nächsten Absatz beschrieben:

Ausführlichere Beschreibung der Varianten
Ausführlichere Beschreibung der Varianten

Also die Erste Variante geht davon aus, dass alle Trends so weiterlaufen. Auch nur einen weiteren Gedanken daran zu Verschwenden, das ernsthaft zu untersuchen scheint eine Zeitverschwendung zu werden: In der Zustandsbeschreibung war der Gutachter doch bezüglich der Kehrtwende bei der Bauaktivität davon ausgegangen, dass die durch die Entwicklung des Innoparks und von ConneKT verursacht worden ist. Wenn er diese bereits oben begründet in Frage gestellte Behauptung aufrecht erhalten will, ist es zumindest nicht konsequent diese Fragestellung zu untersuchen. Denn nach dieser Behauptung hat ja bereits die Kehrtwende des Abwärtstrends eingesetzt. In der zweiten Variante nimmt er dann eine „Dynamische Entwicklung“ an.

Variante 3.1: kein Neubau mehr, stattdessen Abrisse zur Reduzierung des Wohnungsmarktes

Annahmen im Wohnraumkonzept für die Variante 3.1
Annahmen im Wohnraumkonzept für die Variante 3.1

Diese Annahmen stellen das ganze Prinzip des Gutachtens auf den Kopf. Denn eigentlich läuft die Prognose so: Aus den Arbeitsplätzen, den Ein- und Auspendlern und den Umlandfaktoren wird ein Wohnraumbedarf in Haushalten sortiert nach Anzahl der Personen, deren Einkommen, Branchen, usw. ermittelt. Dann wird ermittelt, zu welchen Teilen und Kosten dieser Bedarf gedeckt werden kann und dann hat man eine vorraussichtliche Bevölkerungzahl am Prognoseende. Doch hier wird anders vorgegangen: Man übernimmt ohne Hinterfragen, obwohl dies sinnvoll wäre, die Bevölkerungszahlen der bayerischen Statistik und setzt zum Teil ohne weiteren Abgleich weitere Statistika hinzu. Eine Begründung für diese inverse Methodik lässt sich im Wohnraumkonzept allerdings nicht finden.

Aber das Ergebnis einer nicht sonderlich sinnvollen Methode ist am Ende auch nicht besonders sinnvoll, denn die Folge wäre ein sofortiger Stop aller Neubauten, Reduzierung des Wohnungsbestandes (gleichbedeutend mit Abrissen) und die Findung von „weiteren Strategien“.

In Variante 3.1 wird eine Einstellung aller Neubautätigkeiten in Kitzingen gefordert. Alternativ muss man sich eben um die Stadtentwicklung bemühen.
In Variante 3.1 wird eine Einstellung aller Neubautätigkeiten in Kitzingen gefordert. Alternativ muss man sich eben aktiv um die Stadtentwicklung bemühen.

Dieses Ergebnis ist anscheinend selbst dem Gutachter zu unwahrscheinlich um darauf weiter einzugehen.

Variante 3.2: Auch in der „Dynamik-Variante“ soll weniger neu gebaut werden.

Auch in Variante 3.2 wird die inverse Prognosemethodik verwendet. Allerdings wird hier davon ausgegangen, dass die Einwohnerzahl gehalten werden kann.

Annahmen in der Variante 3.2 des Wohnraumkonzeptes
Annahmen in der Variante 3.2 des Wohnraumkonzeptes

Das Ergebnis ist, wie nicht anders zu erwarten, leicht positiver. Zumindest muss nichts mehr abgerissen werden. Trotzdessen soll der Neubau von Wohnungen eingeschränkt werden:

Das ergebnis der "Dynamik-Variante"; Ein guter Witz, den Status Quo als Dynamik-Variante zu untersuchen.
Das Ergebnis der „Dynamik-Variante“

Man könnte es als einen Witz bezeichnen, dass eine Kleinstadt mit viel Produzierendem Gewerbe, wachsenden Arbeitsplatzmarkt und großen ausstehenden Gewerbeansiedlungen den Status Quo als „Dynamik-Variante“ untersuchen lässt. Sonst kennt man sowas nur aus den abgelegenen Bereichen Ostdeutschlands.

Gutachterliches Niedermachen anderer und teilweise besserer Studien

Wenn man glaubt, dass die Reduzierung der Neubautätigkeit oder gar der Wohnungsabriss die Bodenlinie des Gutachtens waren, so hat man sich getäuscht. Das nicht von der Stadt, sondern von der Bima in Auftrag gegebene Gutachten, das einen erheblichen Wohnungsbedarf im Zeitram 2010 bis 2020 aufzeigte, wird von dem Gutachter auch noch offen angegriffen:

Angriff auf die von der Bima beauftragte Empirica durch das Wohnraumkonzept.
Angriff auf die von der Bima beauftragte Empirica durch das Wohnraumkonzept.

Die Kernschwäche, seines eigenen Gutachtens, von vorgegebenen Bevölkerungszahlen auszugehen wird hier aber nicht argumentiert.

Kampfbegriff „Wohnungsüberhang“

In den Formulierungen findet man immer wieder den Kampfbegriff „Wohnungsüberhang“. Doch dieser wird im Gutachten auch nicht wirklich definiert.

Das besonders pikante bei dieser Rethorik: Bei den Pendlerbewegungen im Punkt 2.4 wird festgestellt, dass Kitzingen die meisten Arbeitskräfte nicht vom Wohnort requiriert, sondern das prozentual höchste Pendlersaldo imLandkreis hat. Dass ist insofern wichtig, als das der Einfall der Pendler von Außerhalb durchaus auch als Wohnungsmangel, zumindest als segmentweiser Wohnungsmangel erfasst werden müsste. Doch diesem Gedanken wird nicht im Ansatz nachgegangen, obwohl er sich bei der Feststellung der Pendelbewegungen eigentlich bereits aufzwingt.

Es ist keinesfalls angenehm, kilometerweit zur Arbeit zu Pendeln, und eine Mehrzahl der Pendler würden am liebsten Ihren Arbeitsplatz in Wohnortnähe haben und auf das Pendeln komplett verzichten. Die Zeit lieber in der Familie verbringen; dies war das Ergebnis einiger repräsentativer Befragungen.

Daher kann man die immerwiederkehrende Betonung des Wohnungsüberhanges auch als politische Intention des Gutachten hinsichtlich der damals noch komplett offenen Entwicklung der Marshall Heights interpretieren.

Fazit:

Das Gutachten ist liegt bei vielen Annahmen zum Ist-Zustand daneben, ist bezüglich der Annahmen und der späteren Folgerungen für die Bevölkerungsentwicklung nicht konsequent. Viel mehr scheint der Antrag eines Wohnraumkonzeptes gegen die politischen Ziele der KIK-Fraktion und gegen eine Entwicklung in den Marshall Heights genutzt worden zu sein.

Der Gutachter scheint kein Gefühl für Statistiken zu haben und hat die Zahlen auch nicht mit dem Ehrgeiz befragt, wirklich Aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen. Darstellungen – wie zum Beispiel bei den Azubi’s – sind grundlegend falsch aufgebaut. Wenn Herr Christof dieses „Wohnraumkonzept 2030“ noch in einer Schublade ablegen möchte, ist die Gefahr, die von den falschen Annahmen, Prognosen und  Schlussfolgerungen für die Stadtentwicklung ausgeht wohl noch nicht gebannt; Es gehört eigentlich in die Mülltonne und der Auftrag unter Anzweifelung der offenkundig fehlenden Kompetenz des Gutachters neu vergeben.

Weitere kritische Veröffentlichungen zum „Wohnraumkonzept 2030“ werden folgen, unter anderem eine Auseinandersetzung mit den Handlungsempfehlungen des Gutachters.