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Walpurgisnacht im Mainsondheimer Wald

Eine Gutenachtgeschichte von Paul Hartmann

Foto: Klaus Beermann

In einem Garten mit Blockhaus in der Nähe des Waldes hatten sich sechs Jugendliche versammelt. Drei Jungs mit ihren Freundinnen. Sie hatten den Grill angeschürt und bald würden darauf leckere Bratwürste und Steaks brutzeln. Für Bier war auch reichlich gesorgt worden. Auch eine Feuerstelle gab es in dem Garten. Dort brannte ein Lagerfeuer und sein zuckender Schein ließ die Gesichter der jungen Leute rot erscheinen. Der junge Mann mit der kurzen Igelfrisur beugte sich zurück und badete sein Gesicht im Mondschein.

„Oh Mann, ist das geil hier.“

„Stimmt,“ sagte seine Freundin, ein stupsnasiges Mädchen, „aber trotzdem kann es heut ganz schön gefährlich werden.“

„Wieso?“ fragte der Junge mit dem andeutungsweisen Bart, den er ständig streichelte.

Die Stupsnase versuchte ihr Gesicht in eine Fratze zu verwandeln. Ihre Hände wurden Krallen, die sie dem Jungen entgegenstreckte.

„Heut ist die Nacht zum ersten Mai. WALBURGISNACHT.“

„Und?“

„Da können sich ab Mitternacht Hexen, Dämonen, Geister und was weiß ich noch eine Stunde frei bewegen.“

„Jetzt hör aber auf,“ sagte das Mädchen mit den langen, schwarzen Haaren, „daran glaubst du doch nicht wirklich, oder?“

„Nein, aber trotzdem möchte ich jetzt nicht allein im Wald sein. Da bin ich ganz ehrlich.“

„Das möchte ich zu einem anderen Zeitpunkt nachts auch nicht.“

„Also mir würde das nichts ausmachen,“ prahlte der mit der Igelfrisur und zeigte mit dem Daumen auf seine herausgestreckte Brust.

„Jaja,“ grinste seine Freundin, hielt den Handrücken an ihren Mund und deutete mit den Fingern einen Schnabel an, der auf und zuging. „Große Sprüche.“

„Was,?“ meinte er forsch, nahm sich einen neue Flasche Bier und machte einen kräftigen Schluck, „glaubst du, ich hab Angst? Euch wird ich’s beweisen.“ Ruckartig stand er auf und schwankte, da er nicht mehr ganz nüchtern war, leicht.

Die etwas fülligere Brünette zog irritiert den linken Nasenflügel hoch.

„He, sag mal, was soll denn das jetzt?“

„Ganz einfach, ich geh jetzt rüber in den Wald und verbringe die nächste Stunde dort. Zwischen Hexen und Dämonen.“

„Alter, was soll der Scheiss. War doch bloß Blödsinn. Hock dich hin, wir trinken noch eins.“

„Bis in einer Stunde.“ Sagte der Junge mit der Igelfrisur stur und verschwand aus dem Garten.

Seine Freundin schüttelte genervt den Kopf, „Wenn der was in seinem Schädel hat.“

Der junge Mann hatte den Waldrand erreicht und ging noch ein paar Meter hinein. Dort setzte er sich auf einen Baumstumpf, schaute sich um und kam sich vor wie ein Idiot. Was wollte er sich oder den anderen eigentlich beweisen? Wie blöd musste man sein, sich allein hierher zu hocken, während die Freunde Bier tranken und Steaks aßen? Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück, sonst würde es heißen, er hätte doch Angst. Aber unheimlich war das Ganze schon. Beklemmend eben.

Endlich schlug die Kirchturmuhr Mitternacht.

„Also ihr Hexen, dann beginnt mal mit eurer Show.“ brummelt er vor sich hin und nahm einen Schluck aus der Flasche. Wie erwartet geschah nichts. Eine Stunde konnte er sich jetzt hierher setzen und in den finsteren Wald glotzen. Super!

„Hhhhhhhhhhhhhhhhhh……………!!!!!!!!!!!!!!!!“

Der Junge versteifte sich etwas und er spürte wie sich sein Magen zusammenzog. Dann schüttelte er den Kopf.   Fang nicht an zu spinnen Mensch,   dachte er sich, denn es war wohl nur der plötzlich aufkommende Wind gewesen.

„Hhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhiiiiiiiiiiiiiiiiiiiihhhhhhhhhhhh…………..!!!!!!!!!!!!!!“

Unsicher schaute er sich um. Der Junge verspürte leichtes Unbehagen, denn die Atmosphäre wurde langsam gespenstisch.

Und plötzlich, wie aus dem Nichts fegte ein heulender Sturm über die den Wald. Die Wipfel und Äste bogen sich hin und her wie knochige Arme. Als wollten sie ihm höhnisch zuwinken. Jetzt wurde es tatsächlich ungemütlich und der junge Mann zog fröstelnd die Schultern hoch während er langsam aufstand.

Öffneten und schlossen sich nicht vor ihm immer wieder dutzende von gelbweisen Augen? Oder waren es Blätter, die sich im Wind bewegten? Jetzt wollte er wirklich raus hier, während der Sturm um ihn herum immer stärker wurde. Es heulte und tobte, wie er es noch nie erlebt hatte.

Aber wo ging es hinaus? Gehetzt schaute er sich um. Er hatte völlig die Orientierung verloren. Um sich herum bogen sich Stämme, wogten Äste hin und her. Etwas kam auf ihn zugeflogen. Ein Ast? Schnell duckte er sich und das Teil flog über ihn hinweg.

„HIHIHIHIIIIIIIIIIIIII………….!!!!!!!!!!!!!“ Der Sturm….oder Hexenkreischen? Jetzt ging aber wirklich die Phantasie mit ihm durch.

Ich muss hier raus! peitschte es in ihm. Sein Gehen war mehr ein unsicheres Stolpern. Etwas zerrte an seinem Hemd. Geisterklauen oder ein Dornenbusch? Panikartig riss er sich los und wankte weiter. Wieder flog etwas auf ihn zu, verfing sich in seinem Haar und schien sich festzukrallen. Fluchend riss er es los und schleuderte es in den Wald.

Und das Heulen und Kreischen des Sturmes oder was auch immer lies nicht nach. Weiter! Weiter! Aber wohin? Da zog ihm etwas die Beine weg. Oder war er einfach nur über eine Wurzel gestolpert. Er wusste es nicht, wusste gar nichts mehr. Krachend stürzte er ins Gebüsch. Schlugen nicht etwa ständig Zweige auf ihn ein. Schweratmend verlor er langsam das Bewusstsein, während um ihn herum das Inferno tobte.

Irgendwann wachte er auf. Ächzend stemmte er sich hoch. Er hatte das Gefühl, als hätte man ihn durch einen Fleischwolf gedreht. Um ihn herum war es still. Nichts mehr deutete auf den Sturm hin. Jetzt konnte er auch hinaus auf das freie Feld sehn, welches vom Mondlicht in ein fahles Licht getaucht wurde. Stöhnend wankte er hinaus und war froh, den Wald hinter sich gelassen zu haben. Er blutete an der Stirn und überall brannten seine Kratzwunden.

Bald hatte er den Garten erreicht, wo es sich seine Freunde bei Steaks, Bratwürsten und Bier gut gingen lassen.

„Ah, unser Hexenjäger ist wieder da“, sagte seine Freundin grinsend, „ja, wie siehst du denn aus?“

Das Lächeln gefror ihr auf den Lippen. „bist du überfallen worden?“

„Blödsinn, das kommt von dem Sturm. Ich bin gestürzt.“

Und dann spürte er am ganzen Körper eine unangenehme Gänsehaut, als seine Freundin erstaunt erwiderte:

„Welcher Sturm? Seit Stunden regt sich kein Lüftchen.“

 

ENDE