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Die Freihandelsabkommen TTIP und CETA sind undemokratisch!

Eine Polemik von Ulrike Mueller.

Stellen Sie sich mal vor, Sie sind eine Gruppe von zehn Menschen und wollen etwas entscheiden. Sagen wir, der Kegelverein plant seinen nächsten Ausflug. Da würde man meinen, dass jeder der zehn Beteiligten einen Vorschlag einreichen darf, über den dann abgestimmt wird. Aber nein, das machen wir jetzt mal anders. Wir nehmen wahllos zwei Menschen, die der Gruppe noch nicht mal angehören, dann noch jemanden, der erfolgreich Ausflüge in die Antarktis organisiert und die lassen wir nun im Geheimen beraten. Sie selbst und die anderen neun haben keine Ahnung, was da besprochen und über Ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Am Ende präsentiert man Ihnen das Ergebnis, dass man dieses Jahr in die Antarktis fährt, weil, naja, weil man das eben beschlossen hat. Dazu kommt, dass Sie auch nicht Ihre eigene Ausrüstung mitnehmen dürfen, sondern bei dem Organisator für Antarktis-Reisen kaufen müssen. Sie dürfen das noch unterschreiben. Und das war’s dann.

Oder stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar handelt mit Erdbeeren. Sie sind aber allergisch gegen Erdbeeren und möchten die dann auch nicht in Ihrem Garten anbauen. Jetzt ist der Nachbar natürlich alles andere als begeistert und verklagt Sie, weil er durch Sie keinen Gewinn mit seinen Erdbeeren erzielen kann. Wie würde Ihnen das gefallen?

Zugegebenermaßen muten beide Beispiele absurd an. Sie sind natürlich auch frei erfunden. Sie denken jetzt „Das ist ja an den Haaren herbeigezogen“? Vielleicht. Aber Absurdität kennt (in der Politik) keine Grenzen und ähnlich geartet sind nunmal die Verhandlungen, die derzeit über die Freihandelsabkommen TTIP (mit den USA) und CETA (mit Kanada) ablaufen.

Da treffen sich also der EU-Handelskommissar Karel de Gucht, Vertreter der jeweiligen US- bzw. kanadischen Handelsministerien und etliche Hunderte Wirtschaftslobbyisten (wie unser Antarktis-Reiseveranstalter oben). Und die verhandeln jetzt hinter verschlossenen Türen über Sachen, die mich und Sie, also uns alle direkt betreffen können. Aber mitreden dürfen wir nicht. Wir dürfen ja noch nicht mal erfahren, wie genau der Wortlaut der Freihandelsabkommen aussieht!

Vordergründig geht es bei den Freihandelsabkommen natürlich um die Wirtschaft. Um mehr Arbeitsplätze für alle und um Wirtschaftswachstum. Wer diese Versprechen auseinander genommen sehen möchte, kann sich einen Beitrag des ARD Monitor ansehen.

Was aber steckt denn nun wirklich hinter den Freihandelsabkommen?

In erster Linie geht es um die „Harmonisierung“ unserer Standards. Absenkung der Standards kann man es auch nennen. Europa hat höhere oder zumindest andere Standards bei der Lebensmittelkontrolle, bei der Chemikalienverordnung, bei der Gentechnik und Kennzeichnungspflicht auf Lebensmitteln, beim Arbeitnehmerrecht, beim Gesundheits- und Umweltschutz.

Es kann also passieren, dass wir bald in Chlor getunktes Hühnerfleisch und Hormonfleisch aus den USA importieren müssen, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel auch in der EU Einzug halten, dass kommunale Güter wie Wasser mehr und mehr privatisiert werden, dass bald in unseren Gärten gefrackt und somit unser Trinkwasser verseucht wird, dass uns der Zugang zu Bildung, Kultur und Wissenschaft durch verschäfte Urheberrechte erschwert wird. Und womöglich noch so einiges mehr, über das man bis heute keine Ahnung hat, weil der Verhandlungsprozess so intransparent ist.

Das sind Nachteile, die uns entstehen können, aber wir dürfen darüber nicht be- und schon gar nicht abstimmen, weil die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Walter Haefeker, Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes, nennt das eine

demokratiefreie Lösung.

Dem kann man nur zustimmen.

„Und was soll nun das Beispiel mit den Erdbeeren?“ fragen Sie.

Achja. Beide Freihandelsabkommen verfügen über, wie es so schön heißt, die Investitionsschutzklausel. Wie der fiktive Nachbar, der seine Erdbeeren an Sie nicht losbekommt und Sie verklagen will, dürfen Unternehmen dann Staaten verklagen.

Wenn also eine Gentechnik-Firma, zufällig fällt mir Monsanto ein, ihre gentechnisch veränderten Produkte aufgrund von Verbraucherschutzbestimmungen in Deutschland nicht verkaufen darf, entgeht Monsanto ein Riesengeschäft. Der Konzern kann dann, laut Investitionsschutz, Deutschland vor ein – wiederum – geheim tagendes und privates Schiedsgericht ziehen und auf Summen in Millionen-, wenn nicht sogar Milliardenhöhe verklagen.

Dazu Sascha Roth, Referent für Umweltpolitik beim NABU-Bundesverband

Das bedeutet automatisch, dass dem demokratischen Staat wahnsinnig viel Entscheidungsfreiheit verloren geht, weil er von Anfang an denkt: „Welche Kosten entstehen mir durch ein mögliches Verfahren und welche Kosten hat es für mich als Staat, Richtlinien neu einzuführen oder höhere Standards zu setzen, wenn ich weiß, dass ich danach international verklagt werden kann?“

Seit wann genau bedeutet es Demokratie, wenn ein privates Unternehmen einen Staat verklagen kann, nur weil dieses Unternehmen seine Güter, die vielleicht keiner in dem Staat will, in diesem Staat nicht verkaufen kann? Überlegen Sie sich, auf welche Summen Deutschland in Zukunft verklagt werden könnte. Und was kann Deutschland da machen? Natürlich. Die Standards, die wir über Jahre hinweg aufgebaut haben, absenken, damit der Staat gar nicht erst verklagt wird.

Kanada hat übrigens schon Erfahrung mit Investitionsschutz – und zwar keine guten. Und auch Mexiko dürfte nicht begeistert darüber sein, dass seit Beginn des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens 1989 das Wachstum im Land zurückging, die Arbeitslosigkeit stark anstieg und besonders Bauern ihre Lebensgrundlage verloren, weil sie gegen Billigimporte aus den USA nicht ankamen.

Weitere Informationen zu TTIP und CETA und warum beide wirklich keine gute Idee sind, finden Sie auf der Webseite des Bündnisses unfairhandelbar.

PS. Am 26. April findet um 15:00 Uhr eine Demonstration gegen die Freihandelsabkommen am Würzburger Bahnhof statt. Wenn Sie also genauso wenig von den Aussichten begeistert sind wie unsere Journalistin, kommen Sie hin und machen Sie mit!