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Der Katzenmann

 

Dettelbach am Main.

Wer weiß, wie lange es her sein mag, als sich dieses ereignete.

Ein Mann, finster dreinblickend, näherte sich dem Fluss. In seiner rauen Rechten hielt er einen zugebundenen Sack. Aber der Sack war nicht leer. Etwas zappelte darin. Klägliche Laute waren zu hören.

Zufällig kam auch eine alte Frau dazu.

„Was habt ihr da in dem Sack, guter Mann? Doch nicht etwa kleine Katzen?“

„Was geht’s dich an, alte Vettel?“

„Warum seid ihr so böse? Ihr wollt die unschuldigen Kätzchen doch nicht etwa ersäufen?“

„Was soll ich mit dem Viehzeug?“ schnauzte er roh und ging weiter auf den Fluss zu.

„Nein“, rief die Frau, „bitte nicht!“

„Ach…“ rief er und winkte ab. Dann warf er den Sack mit den Tieren in weitem Bogen in den Main, drehte sich um und ging davon.

Der Sack aber verfing sich an einem Strauch, sodass die eilends herbeispringente Alte ihn herunternehmen und die Tiere retten konnte. Was sie aber nicht daran hinderte, dem grausamen Mann einen Fluch hinterher zu rufen:

„Ich verfluche dich! Und mein Fluch soll dich immer begleiten und auf deine Nachkommen übergehen“!

Es ist eine romantische Stelle in Dettelbach, die Anlegestelle der alten Mainfähre. Zu Füßen fließt der Main und gegenüber an der Anlegestelle in Mainsondheim liegt die Fähre vor Anker und wartet auf Fahrgäste.

An diesem Tag wartete sie nicht mehr, denn es war bereits kurz vor Mitternacht. Es war eine wunderbare klare und sehr milde Nacht. Auf der Bank hatte sich ein Liebespärchen niedergelassen. Verträumt schauten sie auf den Main, dessen sich immer wieder verändernde Oberfläche wie Millionen Kristalle im Mondschein funkelnden.

Plötzlich Schritte!

Erschrocken drehten sich die beiden um. Ein dunkel gekleideter Mann kam auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck war finster, ja fast böse zu nennen.

„Geht fort“, krächzte er, „fort, fort…!“

„Spinnst du?“ fragte der junge Mann, während seine Freundin den Fremden ängstlich ansah.

„Heut ist der 29. Mai.“, sagte der Mann orakelhaft.

„Und?“

„Heut vor vielen Jahren ist es passiert. Geht, geht fort, gleich ist Mitternacht.“

„Sag mal, was willst du eigentlich von uns. Hau ab.“

Der Junge spürte die Hand seiner Freundin auf seinem Arm. Er spürte, dass sie zitterte.

„Komm, wir verschwinden. Das ist ja unheimlich.“

„Wegen dem Spinner oder was?“

„Bitte.“

„Okay, dann gehen wir eben, “ sagte er kopfschüttelnd und stand auf. Im Grunde war er froh, dass seine Freundin weg wollte, denn der Fremde war ihm auch ziemlich unheimlich. Aber das wollte er natürlich nicht zugeben.

„Ja geht…geht. Gleich ist Mitternacht. Geht…!“ drängte der Unheimliche und macht mit beiden Händen hektische Bewegungen des Fortschickens.

Endlich gingen sie zu ihren Fahrrädern, stiegen auf und fuhren davon.

Der Mann nickte und atmete tief durch. Schon spürte er die Unruhe in sich. Die Unruhe, die immer stärker wurde, je näher Mitternacht kam. Und das unangenehme, ja beinahe schmerzhafte Ziehen auf seiner Haut. Die Haare wuchsen. Erst war es nur ein leichter Flaum, der sich aber bald zu einem dichten Fell entwickelte. Die Zähne wurden spitz, die Augen rund und gelb.

KATZENAUGEN!

Sein Wesen änderte sich, auch sein Denken. Warum, warum nur hatte er die beiden weg geschickt? Sie wären ideale Opfer geworden. Und er gierte danach, Böses zu tun.

Mitternacht.

Er warf den Kopf in den Nacken und schickte dem Vollmond sein Fauchen entgegen. Dann wand er sich um und lief in die Nacht hinein. Bald war er nicht mehr zu sehn. Nur zwei gelbe Punkte blickten ab und zu lauernd auf.

KATZENAUGEN! Und dann fauchte er mit verzerrter, kaum verständlicher Stimme:

„Hütet euch vor mir. Den KATZENMANN!“

ENDE