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Die schöne Adelgunde

Die schöne Adelgunde

 

Ihr Antlitz ist reizend und hold.

Ihr Haar, es glänzt wie pures Gold.

Ihr Kirschmund seinesgleichen sucht.

Ihre Figur ist eine Wucht.

Drum macht es längst im Dorf die Runde:

Die Schönste ist die Adelgunde!

Und wenn sie nicht grad prominiert

und sich die Dorfstraß hinauf ziert,

sie flugs in ihre Kammer geht

wo auch der große Spiegel steht.

Davor ein Tisch mit vielen Töpfchen,

Fläschchen mit wohlriechenden Tröpfchen,

Puder, Salben, gut und fein,

denn für die Schönheit muss das sein.

Auch heut hat sie die Zeit genutzt

Und sich ganz arg heraus geputzt.

Rot die Lippen, rosa die Backen,

jetzt nur noch schnell die Nägel lacken.

Geschwind ein Blick zum Stubentisch,

dort duftet schon der Kuchen frisch.

Auch hat die Gunda mit Bedacht

Ein Kännchen Kaffee schon gemacht.

Liegen auch, denn das ist wichtig,

die Servietten wirklich richtig?

Tassen und Teller stehn bereit,

für den Besuch wird’s langsam Zeit.

Weil heute sie geladen hat

vornehme Herren aus der Stadt.

Da tönt auch schon der Klingelton,

„Die Herrn sind da, ich komme schon.“

Es tritt herein Herr Dackelmann

Herr Wackelknie gleich hintendran.

„Das Sträußchen Rosen ist für sie,“

sagt galant Herr Wackelknie.

Herr Dackelmann folgt ganz geschwind.

„Pralinchen für das schöne Kind.“

Sie errötet ganz adrett,

„Danke die Herren, das ist nett.“

Sie vorneweg, die Hüften schwingen,

tut beide sie zur Stube bringen

„Darf ich zum Kuchentisch sie führen?

Nehmen sie Platz, nur nicht genieren.“

Beim  Kaffee, Kuchen, Kerzenschein

müssen Komplimente sein:

„Schön’re Augen sah ich nie,“

flötet sanft Herr Wackelknie.

„Ihr Näschen find ich wunderschön,“

gibt Dackelmann ihr zu verstehn.

Da fällt dem guten Manne ein:

„Lassen wir Förmlichkeiten sein.

Dackelmann, so heiße ich,

doch nennt mich bitte Heinerich.“

Wackelknie, gar nicht faul,

Stellt sich vor: “Ich bin der Paul:“

Die Gunda ist voller Entzücken,

doch hat das Schicksal seine Tücken

der Struppi stößt die Türe auf,

da nimmt das Unheil seinen Lauf.

Der Hund, er kommt auf  leisen Sohlen,

um sich Frauchens Schuh zu holen.

Einmal schnipp und einmal schnapp,

schon haut er mit der Beute ab.

Gunda fühlt sich vom Donner rühren,

denn dieses durfte nicht passieren.

Erst wird’s ihr kalt und danach heiß,

auf ihrer Stirn bildet sich Schweiß.

In der Eile hatte sie vergessen,

den Füßen Achtung bei zu messen.

Vom Fuße, der vom Schuh befreit,

macht sich eine Wolke breit.

Aus der blütenweißen Socke

riecht es wie aus der Käseglocke.

Ihr Gesicht wird blass und blässer,

ihre Stirn wird nass und nässer.

Die Herren sind ganz irritiert,

was ist denn plötzlich nur passiert?

Warum ist Gunda nur erbleicht?

Als sie der erste Schwall erreicht.

Schnell lassen sie zurück sich sinken,

denn hier tut es nicht ganz so stinken.

Der Heinerich gequält aufstöhnt,

von Frischluft wird er nicht verwöhnt.

Schnell öffnet er seine Krawatte,

die sorgsam er gebunden hatte.

Im Hals spürt er die Magensäfte,

denn das geht über seine Kräfte.

Auch Paul nimmt seinen Schlips schnell ab,

ihm wird die Luft allmählich knapp.

Im Gesicht wird er ganz bleich

und seine Knie werden ganz weich.

Sie springen auf, “Wir müssen gehen,

Und zwar ganz schnell. Auf Wiedersehn!:“

Gundas Trauer ist sehr groß,

denn die Herren ist sie los

Und die Moral von der Geschicht:

Schminke nicht nur dein Gesicht,

Verges‘ auch deine Füße nicht!

Paul Hartmann