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Poststreik aus Sicht eines Kleinaktionärs

Ein Kommentar eines Kitzinger Kleinaktionärs zum Poststreik und zur Investmentethik beim Besitz von Postaktien:

Als Kleinaktionär ist man bei vielen Unternehmen eher passiver Beifahrer – manchmal, wie im Fall der Telekom und T-Online im übertragenen Sinne auch mal die Schlachtgans.

Deswegen habe ich mir als Kleinaktionär wesentliche Regeln auferlegt, wie ich mein Geld anlegen will: mal abgesehen von einigen finanziellen Kennzahlen, will ich nicht in Unternehmen investieren, die Waffen herstellen oder handeln und am Krieg verdienen. Das wiederspricht meinen moralischen als auch meinen religiösen Werten. Aber ich will auch kein Unternehmen mitfinanzieren, dass die Umwelt zerstört oder Mitarbeiter ausbeutet, ich habe also auch soziale und ökologische Ansprüche an so ein Unternehmen, von dem ich Aktien kaufe und halte. Unternehmen die weder soziale noch ökologische Leitsätze haben, wirtschaften nicht nachhaltig mit Resourcen im Allgemeinen. Mit ihren eigenen Resourcen, zum Beispiel den Mitarbeitern oder auch Maschinenbesitz, wirtschaften sie dabei leider ganz besonders ineffizient.

Viele schütteln an dieser Stelle den Kopf: Logistiker, die nicht die Umwelt zerstören? Ein Konzern, der hunderte Tonnen Luftfracht bewegt soll ökologisch sein?

Ja. Ein Konzern, der große Mengen Fracht über Hubs, bzw. sogenannte Postzentren, verteilt, kann nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch ökologischer arbeiten. Das Eilsendungen und Luftfacht nicht der ökologischte Weg für ein Paket von A nach B sind, ist klar, aber ein großer Konzern, der seine Flieger besser auslastet, fliegt auch diese Fracht ökologischer als eine Firma, die aufgrund der kleinen Größe nur Kurierdienste mit Kleintransportern auf diesen Relationen anbietet.

Außerdem bietet die Post eine Art „grünen Versand“ mit DHL GoGreen an, bei dem zumindest die CO2-Emmissionen wieder kompensiert werden. Insofern kann man hier zumindest eine generelle Bereitschaft zum Umwelt- und Klimaschutz feststellen, die bei anderen Post- und Paketdiensten leider nicht gegeben ist. So versenden DHL-Kunden innerhalb Deutschlands automatisch die Pakete klimaneutral – während bei Konkurrenten wie zum Beispiel der MainPost Logistik dies nur gegen Aufpreis mit spezieller „beblue“-Frankierung passiert. Ein normaler Brief bei der MainPost Logistik ist also nicht klimaneutral, weil man sich anscheinend nicht traut, den einen Cent Extragebühr einfach in das Porto reinzunehmen. Und wer so „Userexperience“-vergessen wie die MainPost Logistik mit dem Thema Klimaschutz umgeht, übernimmt nun mal keine Verantwortung für die Resourcen, mit denen er wirtschaftet. Deswegen würde ich, wenn es ginge, niemals in die MainPost Logistik investieren.

Ein ganz anderer Aspekt bei der Post ist, dass es hier Tarifverträge gibt. Kleinere Unternehmen werden nicht von Gewerkschaften durchdrungen, es gibt oft keine Betriebsräte und kein gewerkschaftliches Engagement in den Unternehmen. Zum Teil zersplittern sich die Konkurrenten in einige hunderttausend Franchiser oder scheinunabhängige Vertragspartner, die Abholung, Transport und Auslieferung übernehmen. In diesen Firmen ist der Mitarbeiter einfach nur eine Nummer, eine „Auslieferungsmaschine“, die zwischen dem Handheld, dem Paket und dem Kunde übersetzt und die maschinell unüberwindbaren Treppen bis zur Haustür steigt. Dabei wird der Subunternehmer nach Leistung bemessen und gibt diesen Druck direkt an seinen Paketfahrer weiter. Dass führt dann zu so schönen Ergebnissen, dass man eine Email bekommt, dass gerade der DPD-Fahrer da war und die Tür nicht geöffnet wurde – obwohl man den ganzen Tag daheim gesessen war. Dann kann man 30 km weit fahren, um beim nächsten DPD-Zentrum sein Paket abzuholen. Im Management-Sprech könnte man sagen, dass die Subunternehmer-Contrahiererei zusammen mit dem hohen Druck beim Kunden spür- und erfahrbar wird. Zwar ist die Post und insbesondere DHL von solchen Subunternehmer-Praktiken auch nicht komplett frei, aber es hält sich noch in Grenzen, verglichen mit dem restlichen Markt der Zusteller.

Quo vadis? Macht sich die Post Ihre Marktposition und Ihren Markenkern kaputt?

Anscheinend hat aber die Post Muffensausen vor dieser Billigkonkurrenz, obwohl bislang, also bis kurz vor den Poststreik, Dividende als auch der Kurs der Aktie keine Anzeichen von Panik hatten.

Dabei hat die Post eine echt einmalige Position: Mit der MainPost Logistik kann ich nicht überall hin meine Post zustellen lassen. Es ist also bestenfalls im regionalen Bereich ein Konkurrent. Aber auch hier ist es kein echter Konkurrent, denn die Positionierung der MainPost Logistik mit dem Slogan „Briefe. Schnell. Günstig.“ spricht nur Kunden an, deren Briefversand den Wert einer Postkarte hat, oder wenn man es so formulieren will: „Schön wenn es ankommt; wenn nicht, nicht weiter schlimm. Hat ja nicht so viel gekostet.“

Bei der Post steht ein ganz anderes Vertrauensverhältnis dahinter. Wenn man eine Rechnung am 15.6. versende, dann sollte die am 18.6. ankommen. Sie muss ankommen. Sonst bekommt der, der sie absendet, kein Geld, für seine Arbeit oder das versendete Produkt. Für den Versand einer Rechnung – sofern ihm etwas an seinem Geld für seine Leistungen liegt, würde man also die Post wählen. Sie macht in Ihrem Markenkern weder „Husch-Husch“ noch „Billig-Billig“, während die MainPost Logistik sich beides dick auf die Fahnen schreibt.

Und hier sind wir wieder bei meinen selbst auferlegten Investment-Regeln angekommen: Investiere nur in Sozial und ökologisch engagierte Unternehmen, weil sie gehen auch mit ihren Resourcen sorgsam um. Denn wer verantwortungsvoll mit seinem Personal – oder im Management-Sprech mit seinen „Human Resources“ – umgeht, der sorgt auch dafür, dass das Personal verantwortungsvoll mit den Paketen und Briefen der Kunden umgeht. Insofern greift die Post gerade Ihren eigenen Markenkern an. Ein Markenkern, der besagt, dass die Post ein sehr zuverlässiger Brief- und Paketlogistiker im gehobenen Segment ist, ist eine wertvolle Resource. Es ist die Resource, die rechtfertigt, Behördenpost und andere sensible Sendungen bearbeiten zu dürfen.

Je länger die Post sich hier einer Einigung verweigert, desto weniger von dieser eigenen Resource „Markenkern“ bleibt über. Und je stärker die Post versucht, die Pakete und Briefe der Kunden durch ortsfremde Personen ohne überprüften Hintergrund zustellen zu lassen, desto stärker der Vertrauensverlust in dieses Unternehmen und seine Leistungen. Je stärker der Vertrauensverlust, desto weniger Sendungen wird die Post in Zukunft erhalten.

Insofern sind die Versuche, Post durch Schüler, Studenten und Rentner austragen zu lassen, alles andere als förderlich. Vielleicht schafft man es mit diesen Unternehmensfremden, die den Streik quasi brechen, kurzfristig einen niedrigeren Tarif abzuschließen bzw. ein Ende des Streiks herbeizuzwingen. Aber langfristig dürfte diese Art von Streik den Markenkern der Post tief angekratzen, was wohl in Zukunft Umsatz und Gewinn senken wird. Und als Kunde ist mir nicht geholfen, nur zwischen zwei oder mehr „Billiganbietern“ im Postmarkt auswählen zu können, um wichtige Briefe, zum Beispiel meine Rechnungen an meine Kunden zu versenden. Kommen die Rechnungen nicht an, wird nicht bezahlt – und von was soll ich dann bitte meine Mitarbeiter zahlen?

Und deswegen, weil ich nicht mehr daran glaube, dass die Post noch in mein verantwortungsvolles Portfolio passt, denke ich als Kleinaktionär inzwischen darüber nach, Postaktien aus meinem Portfolio trotz Verlusten zu entfernen. Mit dem Verhalten im aktuellen Poststreik hat die Post bewiesen, eigentlich nur ein weiterer Billiganbieter sein zu wollen, ohne dass dies so wahrgenommen werden soll. Was für eine Bigotterie!

Hinweis: Der Text wurde nur von Andreas Witte veröffentlicht, der Autor ist der Redaktion bekannt und möchte nicht namentlich genannt werden. Die Aussagen im Artikel sind seine persönliche Meinungen, keine Anlageempfehlungen. Sie können Ihre Meinung jederzeit an leserbriefe@meinkitzingen.de senden.

Foto: Deutsche Post AG