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Alles andere als fertig: Gymnasium Markbreit

Wenn Sie einen netten Artikel über die Einweihung des generalsanierten Gymnasiums in Marktbreit erwartet haben, sollten sie genau hier aufhören zu lesen! Wir berichten über das Geschehen hinter den Kulissen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn nichts anderes, als eine kleine feine Inszenierung war die Feier zur „Fertigstellung“.

 

Zur Einweihungsfeier des generalsanierten Gymnasiums in Marktbreit hatte die Landrätin Tamara Bischof am 25.10.2013 geladen. Viele geladene Gäste sind dem Ruf gefolgt. Darunter auch der Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer, der zum Abschluss der Generalsanierung der Schule persönlich gratulierte und die Grußworte des Kultusministers Dr. Spaenle überbrachte.

Volle Beflaggung: Auf dem Empfang war die volle Politprominenz anwesend.
Volle Beflaggung: Auf dem Empfang war die volle Politprominenz anwesend.
Geladene Gäste auf dem Empfang zur Fertigstellung des Gymnasiums Marktbreit
Geladene Gäste auf dem Empfang zur Fertigstellung des Gymnasiums Marktbreit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Paul Beinhofer zitierte frei in seiner Rede den chinesischen Philosophen Laotse :

„Beginnen können ist Stärke, vollenden können ist Kraft.“

Zu hoffen ist, dass das keine hellseherische Eingebung war. Denn die noch nicht beendete Sanierung könnte sich noch etwas hinziehen, obwohl die symbolische Schlüsselübergabe vollzogen ist. Der Druck des Übergabetermins ist vorbei und es besteht keine Dringlichkeit, Restarbeiten zeitnah zu erledigen. Auch ist es fraglich, ob die Landrätin Bischof sich weiterhin mit der bisherigen Beharrlichkeit um das Projekt kümmern wird. Laut ihrer Pressestelle jedenfalls ist die Sanierung vollendet, lediglich noch „kleine Malerarbeiten [seien] zu erledigen“.

 

Das Gesamtgewerk vermittelt nicht den Eindruck, fertiggestellt zu sein.

Blick durchs Fenster: Was ist hier fertig?
Blick durchs Fenster: Was ist hier fertig?

Betrachten wir zunächst die Dächer: Der Rede des Regierungspräsident ist folgendes zu entnehmen:

„Das erste Beratungsgespräch für die geplante Generalsanierung erfolgte dann im November 2007 bei der Regierung von Unterfranken. Genauere Untersuchungen der Bausubstanz zeigten erhebliche Schäden an den Flachdächern; an vielen Stellen tropfte bereits das Wasser aus den Decken.

Um weitere Folgeschäden zu vermeiden, wurde dem Landkreis Kitzingen für die Behebung der am schlimmsten betroffenen Stellen im Bereich der Musiksäle und der naturwissenschaftlichen Sammlungsräume im Vorgriff auf die noch zu stellenden Förderanträge die förderrechtliche Unbedenklichkeit einer vorgezogenen Realisierung bescheinigt. Die anfallenden Kosten wurden mit dieser unbürokratischen Entscheidung für die spätere Förderung gesichert.“

"definierter und einladender Haupteingang" - Hier mit dem undichten Flachdach zu sehen,
„definierter und einladender Haupteingang“ – Hier mit dem undichten Flachdach zu sehen,

Eigentlich hätten die Dächer schon längst saniert sein sollen. Allerdings sieht die aktuelle Sachlage etwas anders aus. Der überaus gelobte „definierte und einladende Haupteingang“ wird selten mit dem unfertigen Flachdach zur linken Hand gezeigt. Im Dach über dem Direktorat kam es immer wieder zu Wassereinbrüchen. Die dabei entstandenen Schäden wurden  wiederholt überstrichen. Fast ein Jahr lang war das Flachdach ungeschützt allen Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Kurz vor der Eröffnungsfeier wurde es dann mit offensichtlich nassem Isoliermaterial geschlossen. Selbst ein Laie kann erkennen, dass das Dach nicht eben ist und immer noch auffallend viel Wasser darauf steht.

Die Sanierung der Sporthallen wurde sicherlich von allen sehr begrüßt. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht: Die Schule verfügt zwar über zwei wirklich schöne Sporthallen, leider musste man bei den ersten darin abgehaltenen Abiturprüfungen feststellen, dass sich nur zwei (!) kleine Fenster zum Lüften kippen lassen. Wir erinnern uns, dass der Mai 2012 ein sehr heißer Monat war. Jalousien zum Abdunkeln waren leider noch nicht vorhanden oder evtl. gar nicht geplant.

„Die Raumsituation wurde durch die Erweiterung der Gesamtnutzungsfläche von 730m² entspannt. Es konnten 12 zusätzliche Unterrichts- bzw. -fachräume geschaffen werden“, kann man der Rede des Regierungspräsidenten Dr. Paul Beinhofer entnehmen. Das Landratsamt spricht jedoch von 11 Klassenzimmern.

Um was handelt es sich bei den 270 m² Differenz?

Blick durchs fenster: Sind diese Rumpelkammern die fehlenden 270 m²?
Blick durch das Fenster: Sind diese Rumpelkammern die fehlenden 270 m²?
Blick durch das Fenster: Wohin gehören all diese Möbel?
Blick durch das Fenster: Wohin gehören all diese Möbel?

Die Pressemitteilung des Landratsamtes gibt eine Erweiterung von Hauptnutzfläche von 1000 m² an. Die Regierung von Unterfranken nennt eine schulaufsichtlich anerkannte Fläche von 730m². Wenn die fehlenden 270m² nicht schulaufsichtlich anerkannt sind, um was handelt es sich dabei?

Whiteboard - mit Baumängeln
Wie viele nicht fertige Bauelemente können Sie hier finden? — Aufzoomen empfohlen!

Moderner Unterricht trotz 12 Mio. Euro immer noch nicht möglich

Die Klassenzimmer sollten saniert und mit der neuesten Technik ausgestattet werden. Durch neue Medien wie zum Beispiel das Internet, aber auch sich evolutionierende Unterrichtsmethoden sind die Anforderungen an die Technik gewachsen. Dass die Technik nicht vorhanden wäre, lässt sich zumindest nicht behaupten. Aber klar ist, dass die Technik auch sinnvoll aufeinander abgestimmt sein muss. Wir haben den Test gemacht und uns eines der interaktiven Whiteboards von einer der Lehrerinnen vorführen lassen. Die Software funktionierte nur teilweise: man schreibt mit einem Plastikstift auf die Tafel, in Echtzeit gibt die Software die Handschrift über den Beamer aus, allerdings ca. 10 Zentimeter rechts vom Stift.

In einem Zweckbau wie bseispielsweise einer Schule sollte sich die Gebäudeinfrastruktur am  Zweck orientieren - hier scheint es umgekehrt: Die Tafeln lassen sich wegen der Waschbecken nicht vollständig aufklappen.
Anfängerfehler in der Bauplanung: In einem Zweckbau wie beispielsweise einer Schule sollte sich die Gebäudeinfrastruktur am Zweck orientieren – hier scheint es umgekehrt: Die Tafeln lassen sich wegen der Waschbecken nicht vollständig aufklappen.

 

Nicht in jedem Raum befinden sich solche Whiteboards. Es gibt auch das klassische Setting mit einer normalen Tafel. Hier im Bild kann man eine spezielle Marktbreiter Variante (mit integriertem Waschbecken) bewundern: diese Tafel lässt sich aufgrund des falsch positionierten Waschbeckens, also schlecht geplanter Rohrleitungsführung, nicht komplett aufklappen. Apropos Waschbecken und Co: Wir nehmen Wetten an, wie lange es dauern wird, bis auch das letzte Stück Wand hinter der letzten Heizung gestrichen ist.

 

Hinter den Heizkörpern wurde nicht gestrichen.
Hinter den Heizkörpern wurde nicht gestrichen.

Computerräume sehen nicht nach regelmäßigem Schulbetrieb aus

Die Computerräume sind mit Computern ausgestattet, jedoch fehlen dort die speziellen Computermöbel.

"alter Computerraum": gut eingerichtet, funktionale und rückenschonende Möbel sind vorhanden.
„alter Computerraum“: gut eingerichtet
neuer Computerraum: Prinzipiell ist alles Vorhanden - Nach Unterricht sieht es hier jedoch nicht aus.
neuer Computerraum: Prinzipiell ist alles Vorhanden – Nach Unterricht sieht es hier jedoch nicht aus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nicht abreißende Kette an Impressionen der Unfertigkeit

Offene Rumpelkammer - Darf so überhaupt Schulbetrieb stattfinden?
Offene Rumpelkammer nebst fehlendem Feuerlöscher – Darf so überhaupt Schulbetrieb stattfinden?
Fast der ganze Keller hat noch keine Wandfarbe - Wie deckt sich das mit der Behauptung der Landrätin es gäbe nur noch ein paar kleine Malerarbeiten?
Fast der ganze Keller hat noch keine Wandfarbe – Wie deckt sich das mit der Behauptung der Landrätin, es gäbe nur noch ein paar kleine Malerarbeiten?
Zugänge zu den Liftanlagen:  Nackter Beton statt fertig.
Zugänge zu den Liftanlagen: Nackter Beton statt fertig.
Quellender Bauschaum unter den Fensterbrettern. Was ist daran fertig?
Quellender Bauschaum unter den Fensterbrettern. Was ist daran fertig?
Die Verkleidungen der Fensterrahmen sind zwar angebracht, bieten aber auch noch ein großes Potenzial für Nacharbeiten.
Die Verkleidungen der Fensterrahmen sind zwar angebracht, bieten aber auch noch ein großes Potenzial für Nacharbeiten.
Bautafel: Warum kaum Unternehmen aus dem Landkreis Kitzingen involviert waren bleibt als Frage offen.
Bautafel: Warum kaum Unternehmen aus dem Landkreis Kitzingen involviert waren, bleibt als Frage offen.

Generalunternehmer oder nicht?

Aufgrund des Vergabeverfahrens, so die Pressestelle des Landratsamtes, gibt es keinen Generalunternehmer. Unter einem Generalunternehmer ist ein bauausführendes Unternehmen zu verstehen, das die Ausführung des gesamten Auftrages in allen Gewerken übernimmt und das Bauwerk schlüsselfertig übergibt [1]. „Die Vergabeordnung sei sehr kompliziert und lasse keinen Generalunternehmer zu“, meint die Pressesprecherin der Landrätin Bischof bei einer telefonischen Nachfrage. Außerdem sei es doch völlig unerheblich, ob es einen Generalunternehmer gäbe oder nicht.

Falls es unsere Leser interessiert:

Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen VOB [2] sieht weder zwingend einen Generalunternehmer vor, noch verbietet sie ausdrücklich dessen Beauftragung. In Wahrheit werden jedoch schon sehr viele Projekte, die sehr komplex sind oder bei denen eine „schlüsselfertige“ Übergabe gewünscht ist, mit Generalunternehmer ausgeschrieben. Tatsächlich gibt es eine Möglichkeit unter §4 Nr 3 Satz 2 VOB/A, sog. Fachlose (vgl. [3]) zusammenzufassen. Vielleicht ist dies geschehen, allerdings konnte die Sprecherin des Landratsamtes dazu nichts sagen. Die weitergehende Möglichkeit, einen Generalunternehmer zu beauftragen, ist definitiv nicht erfolgt.

Die Vorteile der Zusammenfassung und des Generalunternehmers liegen auf der Hand: Der Nachunternehmer haftet und gewährleistet gegenüber dem Generalunternehmer für die frist- und fachgerechte Erfüllung. Der Generalunternehmer haftet und gewährleistet gegenüber dem Bauherrn. [1]

Mit einem Generalunternehmer dürfte die Durchsetzung der Behebung sämtlicher Mängel juristisch erheblich einfacher sein. Da aber durch eine Fachlosvergabe [3] und Teillosvergabe [4] sich sämtliche am Bau beteiligten Unternehmen auf Baubehinderungen und noch nicht fertige Gewerke zurückziehen  können, wird die Klärung sicherlich viel Zeit und Arbeitskraft des Landratsamtes in Anspruch nehmen. Die eingesparte Million wäre in einem solchem Fall leicht und schnell vor Gerichten wieder verloren – ohne dass auch nur eine Nachbesserung an den Gebäuden erfolgt wäre.

 

Gewaltandrohung gegen die Eröffnungsfeier

Der Vollständigkeit halber: Leider war der Einsatz von sieben Beamten der Polizeidirektion Kitzingen in Zivil notwendig. Eine Gewaltandrohung wurde zur Eröffnungsfeier  der Schule angekündigt. Über den scheinbar „schlechten Scherz“ wurde in der Presse ausführlich berichtet. Die Kosten für den Einsatz belaufen sich nach unseren Informationen um die 7.000 Euro. Schüler, die sich über das Ausmaß ihres Handelns keine Gedanken machen, sollten sich diese Summe eventuell vor Augen führen. Einerseits hat die Drohung niemand wirklich ernst genommen, andererseits ist es sehr beruhigend, dass der Polizeieinsatz ohne Wenn und Aber stattfand.

Die Redaktion dankt allen Schülereltern, die durch reichhaltige Informationen und Rat dazu beigetragen haben diesen Artikel entstehen zu lassen.

Fußnoten

(1) https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/agfortbildung/microsoft_powerpoint_-_berner_90429_vortrag_seminar_baumanagement.pdf

(2)http://dejure.org/gesetze/VOB-A/4.html

(3) http://www.bauexpertenforum.de  Definition Fachlose : Bauleistungen, die einem bestimmten Handwerks- oder Gewerbezweig, d. h. einem Fachgebiet, zugeordnet werden können. Der Auftraggeber schreibt nicht „ein Stück Schulgebäude“ als ganzes aus, sondern vergibt die Bauleistungen in Einzelaufträgen an die verschiedenen Gewerke, wie z. B. Rohbauarbeiten an den Maurer- und Betonbauer oder Arbeiten im Innenbereich an Ausbaugewerke wie z. B. Maler oder Fliesenleger.

(4) http://www.bauexpertenforum.de Definition Teillose : Räumlich oder mengenmäßig aufzuteilende Leistungen. Die Vergabe orientiert sich am Umfang der Bauleistungen und nimmt eine Aufteilung in abgeschlossene Abschnitte vor. So lässt sich beispielsweise bei der Ausschreibung von Malerarbeiten zur Renovierung großer Gebäudekomplexe wie z.B. Schulen die zu vergebende Leistung in Abschnitte aufteilen.

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