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Anti-Cannabis-Front im Stadtrat

Der Kitzinger Stadtrat behandelte heute die Petition eines Bürgers, einen runden Tisch zum Cannabis-Konsum einzurichten. Am Schluss unterstützte nur Herr Pauluhn (ödp) den Vorschlag.

Schon die Stellungnahme der Verwaltung ist eindeutig gegen den Vorschlag des Bürgers positioniert, der eine Petition an den Stadtrat nutzte. Doch bereits bei der Anmoderation macht der Oberbürgermeister Müller (UsW) deutlich, dass er die Petition am liebsten schon aus formalen Gründen vor dem Weg in den Stadtrat abgelehnt hätte. Doch das Landratsamt machte die Stadt darauf aufmerksam, dass die gewünschten Formellen Erfordernisse nicht vorlägen.

Deshalb musste die Petition in den Stadtrat. Aber auch hier hatte das Anliegen keinen leichten Stand: Schon beim Aufrufen des Tagesordnungspunktes stellte der Oberbürgermeister klar, dass er aus ideologischen Gründen gar nicht lange darüber diskutieren wolle. Einerseits, weil es eine einseitige Verordnung des Freistaates gäbe, die Cannabiskonsum in die Nähe von Fixerstuben rückte – andererseits weil:

„Das Zeug‘s gehört nicht nach Kitzingen“.

Herr Hartner (Verwaltung) musste das dann etwas breiter erklären – auch wenn er einen deutlichen Unterschied zwischen Fixerstuben und Cannabis Genussräumen sieht. Im Wesentlichen blieb ein rein verwaltungsrechtliches: „Nein, wir können zwar einen runden Tisch machen, aber nichts gegen die Verordnung der Staatsregierung tun.“

Doch Frau Dr. Endres-Paul (SPD) hatte davon nicht genug: Sie wollte sich noch aus „fachlich-medizinischer“ Sicht dazu äußern. Doch anstatt wirklich einen tieferen medizinischen Einblick in die Gefahren, die von Suchtstoffen in Cannabis-Pflanzen ausgehen können, zu geben, zitierte sie lediglich die Einleitung eines Artikels aus der Süddeutschen Zeitung, der mit Allgemeinplätzen protzte und im wesentlichen nichts neues berichtete – außer das der Konsum von Cannabis mit den für Drogen üblichen Konsequenzen verbunden sein könnte. Nicht mal eine statistische Beweisführung versuchte der Artikel in der zitierten Passage. Dass dieses etwas „plump“ geratene Stück Text weder aus einer Medizin-Fachzeitschrift noch der Zusammenfassung einer beobachtenden Studie von Cannabis-Liberalisierungsversuchen stammte, konterkarierte den gesamten Anspruch von „fachlicher Elite“, den Frau Endres-Paul mit ihrem Doktortitel und Ihrem medizinischen Beruf in ihr Statement gegen die drohende Drogenliberalisierung durch einen runden Tisch einzubringen versuchte.

Frau Dr. Endres-Paul (SPD) versuchte dann noch auf den medizinischen Nutzen bzw. die medizinische Anwendung „der Cannabis-Pflanze“ einzugehen. Durch diese ungeschickte Formulierung blickte bereits durch, dass es keine nähere Beschäftigung mit Sorten und deren Wirkstoffen und Konzentrationen gegeben hatte. Eine Anwendung ist ihrer Meinung nach nur in der Paliativmedizin möglich. Also bei Patienten, bei denen die Schäden von Drogen das kleinere medizinische Übel gegenüber der erreichbaren Schmerzlinderung seien. Doch ein einfacher Blick in die Wikipedia, welche dem Thema „Cannabis als Arzneimittel“ sogar einen ganzen eigenen Artikel neben 3 anderen Hauptartikeln gewidmet hat, genügt schon, um festzustellen, dass sehr vielfältigere Heilwirkungen mit Cannabis und cannaboid wirkenden Medikamenten erreicht werden können – im Immunsystem, bei Übelkeit, Erbrechen und Krachexie, einer Form der massiven Abmargerung.

Als Herr Müller versuchte, den Tagesordnungspunkt zu beenden, verlängerte Herr Pauluhn (ödp) die Diskussion mit einer komplett konträren Ansicht: Abhängig mache vieles, was man zu häufig zu sich nehme – sogar Lebensmittel wie Zucker. Die Argumentation, dass die Ansicht der Staatsregierung automatisch auch für Kitzingen gelten müsse entkräftete er mit dem Beispiel, dass der Landkreis auch lange sich gegen Atomkraft positioniert habe und dann plötzlich die Bundesregierung diese Ansicht übernommen hätte. Ein runder Tisch könne da schon nicht schaden.

Dem langsamen fundiertem Aufbau einer Argumentationskette des Stadtrats Pauluhn, fuhr der Oberbürgermeister dann in den Redebeitrag, dass ein jüngerer Zuhörer entsetzt : „ETWAS MEHR RESPEKT!“, in den Saal rief und eine Betäubungsmittelrechtliche Erlaubnis herauskramte und zum Trotz rumreichte.

Der erste Bürgermeister Güntner (CSU) beschränkte sich auf die Feststellung, dass sich für ihn die Petition so lese, dass jemand ein Schlupfloch suche, um das Betäubungsmittelgesetz auszuhebeln. Dafür sei die Stadt Kitzingen aber nicht zuständig.

Abgestimmt wurde das Ergebnis 1:27 – nur mit der Befürwortenden Stimme des Stadtrats Pauluhn (ödp). Das Ergebnis überrascht angesichts des neuen Stadtrats – aber eher wegen der einen Pro-Stimme.

Nach der Feststellung des Abstimmungsergebnisses äußerte der Oberbürgermeister noch in Richtung Medien „endlich wieder raus aus den Schlagzeilen!“, als ob dies das Einzige gewesen wäre, um das es bei der Bearbeitung dieser Petition gegangen wäre. Dass überhaupt ein Bürger mal den seltenen Mut zu diesem aktiven Schritt hatte, wurde mit keinem Wort im Stadtrat gewürdigt. Auch der seltene Effekt des öffentlichen Interesses – trotz Fußball-WM – wurde nicht in Richtung der möglichen Entwicklungschancen für die Stadt Kitzingen mit Ihren vielen Gewächshäusern und dem sehr mildem Klima von einem einzigem Stadtrat öffentlich reflektiert. Da passt es nur zu gut ins Bild, dass dem Stadtrat in der Sitzung ein Dokument von der überörtlichen Prüfung zur Kenntnis gereicht wurde, in dem vor der Verschuldung der Stadt Kitzingen sehr ausdrücklich gewarnt wird (v.a. Seite 3).