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Nackte Haut im Stadtrat; Oberbürgermeister zieht unten blank

Eine Polemik von Andreas Witte zur letzten Stadtratssitzung.

Kennen Sie das? Man sitzt in einer Veranstaltung und denkt sich „bin ich hier richtig?“ oder „so hab ich mir das nicht vorgestellt“. So ungefähr ging es mir auf der letzten Stadtratssitzung. War das wirklich eine Stadtratssitzung und keine politisierte Showeinlage einer Prunksitzung? Ich bin mir nicht sicher.

Vielmehr glaube ich, dass ich da ein grandios gemachtes, voll authentisches Laienschauspiel im Sitzungssaal vom Rathaus gesehen habe. Vielleicht sogar mit einem gewissen Improvisationsanteil.

Zum Anfang gab es einen Sketch mit einer Satzungsänderung im Jugendstadtrat:

Während der Jugendstadtrat seine Altersgrenze anheben musste und durchaus seinen Aufgaben ernsthaft nachgeht, wird der Stadtrat für die Erwachsenen immer kindischer. Am Schluss brachten erwachsene Jugendliche dort ihre Eltern und Großeltern zum Politik spielen hin, wenn sie ernsthaft in ihrem Jugendstadt mal was bereden müssen und dabei nicht von den zerstrittenen, kleinlichen und unverantwortlich entscheidenden alten Stadträten gestört werden wollen.

Wahrscheinlich hat der Jugendstadtrat auch die Zusammenlegung von Verwaltung, Bürgermeisterbüro und Sitzungssaal in einem Gebäude beschlossen, die räumliche Häufung von Sandkästchen- und Förmchenstreiterei verschont so den Rest der Stadt. Eine weise Entscheidung.

Etwas lustiger fand ich dann noch die Aufführung von dem Sketch, bei dem sich ein Oberbürgermeister durch eigenes Projektmissmanagement den Bau seines persönlichen Denkmals, eine Mehrzweckhalle, voll versaut. Ja, eine sehr realistische Anlehnung an den Berliner Flughafen und den Stuttgarter Bahnhof, schön das Thema „Projektsteuerung durch die Politik funktioniert nicht“ auf lokales Niveau heruntergebrochen. Wobei der Kitzinger Bahnhof mit der Kitzinger Politik genauso wenig funktioniert.

Wie wäre die Hauptrolle aus der Bredouille herausgekommen, wenn der Stadtrat Fragen stellt, deren Antworten der Hauptrolle aber nicht gefallen? Anstatt mit ehrlichen Antworten und einem ehrlichem Umgang mit dem Vorhaben hat er es halt mit hinhalten und schönreden versucht. Aber in der modernen Zeit, wo auf jedem kleinem Smartphone eine Erinnerungsfunktion (neudeutsch: App) enthalten ist, ist es irgendwie abzusehen, dass er mit diesem Versuch eine Bruchlandung erleiden wird, weil die Stadträte ihre Fragen partout nicht vergessen haben. Naja, so weit das Schauspiel zu diesem Sketch. Wenn man eine Drehbuchkritik zu dieser Aufführung im Stadtrat schreiben müsste, dann hätte man die Hauptrolle wohl als „machtsüchtig“ beschrieben, vor allem auch wegen der Posen auf den Pressefotos die einen eher an einen mittelalterlichen Monarchen erinnern. Aber literarisch belegen würde man dieses Rollenbild in dem Sketch vor allem durch den Eingriff in die Abstimmungsreihenfolge.

Was auch auffällt: Es muss ein Laienschauspiel gewesen sein. Denn der Darsteller in der Hauptrolle „Oberbürgermeister“ hat auf den ersten Blick seine Requisiten verwechselt. Und so kam es, dass der Hauptdarsteller „Oberbürgermeister“ auf dem Schauspiel „Stadtratssitzung in Kitzingen“ dauernd unruhig auf seinem Stuhl saß und seine Hose hochzog. Die Requisite muss wohl oben einige Größen zu „Bauchintensiv“ gewesen sein, während an den Beinen zwischen Sockenende und Hosenbein 7 cm Haut rausschauten. Viele kommen für eine Requisitenverwechslung nicht in Frage, trug der Oberbürgermeister also die Hose von der Rolle des „Böhm“, einem Schauspieler, der ein konservatives Stadtratsmitglied spielt, das oft erst mit dem Kopf gegen die Wand rennen muss, um festzustellen, dass Beton hart ist und Wände in Europa massiv sind?

Vielleicht war das auch eine Besonderheit der Aufführung. Wenn man den Charakter der Machtbesessenheit, der sich durch die Änderung der Abstimmungsreihenfolge auch im Schauspiel belegen lässt, konsequent weiterdenkt, dann könnte man der literarischen Person „Oberbürgermeister“ auch einen gewissen Realitätsverlust unterstellen. Im Drehbuch zu diesem Schauspiel kann man das an der Stelle interpretieren, an der der Bürgermeister trotz aller Fakten seine Mehrzweckhalle immer noch nicht aufgeben will. Vielleicht geht der Realitätsverlust so weit, dass er diese 7cm nackte Haut bzw. dieses sichtbare behaarte Männerbein für erotisierend hält und damit glaubt noch ein paar Stimmen für seine Halle zu finden? Das wäre dadurch interpretierbar, dass er seine nackten Beine immer wieder nach dem hochziehen der Hose unter dem Tisch hindurch in die Mitte des Saals schob und dabei die weiblichen Rollen der Stadtratsmitglieder wie „Gloß“, „Dr. Endres-Paul“ oder „Wallrapp“ anschaute.

Und wenn man tiefer in die Charakteranalyse der Hauptrolle einsteigt, kann man auch den letzten Sketch, den mit der Tafel verstehen: Die Tafel verteilt ja bekannterweise Kleidung und Lebensmittel an Bedürftige. Wahrscheinlich wurde ihm bei dieser Ausgabe für Bedürftige die falsche Größe der Anzughose gereicht, deswegen die Ablehnung eines Anbaus. Zumindest bekommt so der letzte Sketch im Schauspiel literarische Bedeutung. Eine wirklich gelungene Komödie.

Ich hoffe zumindest, dass ich da einem Schauspiel oder einer Aufführung beigewohnt habe. Oder könnten Sie sich vorstellen, dass der echte Kitzinger Bürgermeister unten so viel Bein blank zieht? Oder dass der echte Kitzinger Bürgermeister schlechter gekleidet ist, wie jemand, der sein Gewand bei der Tafel holt? Kitzingen ist ja schließlich ein Industriestandort, und nicht „Kuhzingen“, also irgendein kleinbäuerliches Kuhkaff. Ich will es mir nicht vorstellen, dass das der echte Kitzinger Stadtrat ist, ich hoffe, irgendwo noch den richtigen Stadtrat zu finden. Einen, der nicht erst 2 Jahre braucht, bis er zur Vernunft findet und unrealistische Großprojekte cancelt. Mit einem Bürgermeister, der ein guter Moderator ist und einer Verwaltung, die großartige Arbeit für die Stadt liefert. Nur im Rathaus tagt der echte Stadtrat anscheinend nicht, dort hab ich bisher nur diese Schauspielgruppe mit ihren unterhaltsamen und kurzweiligen Sketchen zu verschiedenen Punkten der Stadtpolitik gesehen.

Und vielleicht sollte die Schauspielgruppe den Veranstaltungsort mal wechseln, es war wirklich voll bei der letzten Aufführung.