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Griesgram-Glosse 2: Ein doppelter Boden

Einen „doppelten Boden“ zu haben ist allgemein eine positive Eigenschaft. Wenn der erste Boden durchbricht, so hält dennoch der zweite Boden alles. Man kann es aber auch als politisches Sinnbild verstehen: Oben, die Oberseite des ersten Bodens  ist poliert, es glänzt. Und von unten, die Unterseite des zweiten Bodens, also die Decke des Geschosses darunter ist auch schön hergerichtet. Was allerdings zwischen den beiden Böden passiert, bleibt verborgen und ist je nach Nutzung des darüber liegenden Stockwerkes anrüchig bis ekelhaft. Fallen Krümel in einer Speisekammer auf den Boden und werden durch die Bohlen in den Zwischenraum hindurchgetreten, so wimmelt es von Ungeziefer in diesem Zwischenraum, dass sich davon ernährt. Den doppelten Boden kann man also als politisches Sinnbild für die geschlossenen Sitzungen nehmen. Es bricht nicht durch, was unbedingt geheim zu halten ist.

Also gibt es scheinbar eine anrüchige Ebene, je nachdem wofür man die geheimen Sitzungen nutzt.

Nun erinnern sich alle lebhaft daran, dass eine große Asylbewerberunterkunft im Corlette Circle mit Stimmengleichheit im Stadtrat abgelehnt wurde. Stattdessen wurde eine kleine Unterkunft beschlossen. Und das wurde sogar in einer öffentlichen Sitzung so behandelt.

Was die Gerüchteküche allerdings vermeldet, ist die Ansiedlung von Industrie mit 500 Arbeitsplätzen in der Harvey Barracks. Und manch ein Stadtrat befürchtet nun, dass die Schaffung eines Asylantenheimes im Corlette Circle, aufgrund der nötigen Abstandsflächen von Industrieanlagen zu Wohnbebauung, die Ansiedlung der Arbeitsplätze verhindere.

Als Griesgram frage ich mich an dieser Stelle vieles:

Der Stadtrat als auch die Verwaltung, sehen sich als bemüht, in der Suche von Investoren für die Konversionsflächen tätig zu sein. Diese Politik hat ab und an Züge von Dürrenmatt’s Werk „Besuch der Alten Dame“, welches Gymnasiasten vieler bayerischer Gymnasien in der Schule lesen, um es sprachlich zu analysieren. Die zentrale Fragestellung des Buches ist, ob man für den Schein von Geld alles bekommt. Übertragen auf die Politik muss man sich fragen, ob der Stadtrat alles in Kitzingen akzeptieren will und wird. Wenn die Harvey Barracks beispielsweise zu einer chemischen Industrieanlage werden soll, weil eine „Alte Dame“ kommt und mit Arbeitsplätzen winkt, wird man dann dies der Stadt Kitzingen antun? Wäre final auch ein Atommüllendlager denkbar? Fairerweise muss man dazu sagen, dass es gut bezahlte Arbeitsplätze sein müssten, mit denen gewunken wird, weshalb Logistikzentren schon mal rausfallen.

Und noch eine Fragestellung tut sich dem Gerüchteküche horchendem Griesgram dabei auf: Warum wird über eine solch wichtige Entscheidung, die das Gesicht der Stadt, als gut bepflanzte Fahrradtourismus-Hochburg oder als hässliche Industriestadt prägen kann, nur im geheimen beraten?

Eine andere Frage ist auch, wenn die Asylbewerber in einem Sammellager in München in ungeheizten Garagen schlafen, wie der Vertreter der Bezirksregierung im Stadtrat erzählte, warum man dann ein Wohngebiet und nicht eine Sondernutzungszone ausweisen will? Oder ist Abwägung Industrieansiedlung versus Asylbewerber (auch wieder) nur vorgeschoben, weil man die Asylbewerber trotzdem nicht auf Kitzinger Flur haben will?

Fragen über Fragen, die man nur im Zwischenraum der beiden Böden beantwortet bekommen wird. Und man kann jetzt schon absehen, dass die Antworten auch gruselig und ekelhaft sein können.