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Griesgram-Glosse: Corlette Circle und die Essenspakete für Flüchtlinge

Na da bewegt sich doch mal was. Nachdem die Essenspakete in Bayern zum Asylsystem gehören wie rassistische Asylbeamte in Erlangen, weiß doch jeder, dass er nicht nach Bayern kommen will, wenn er es mal mit dem Boot über das Mittelmeer und durch Italien hindurch geschafft hat. Nachdem die Asylbewerber, die es hier trotz allem doch noch gibt, immer wieder mal die Essenspakete am Münchner Marienplatz symbolisch verbrannt haben, dann Würzburger Asylbewerber einen Marsch nach Berlin zum Ärgernis der bayerischen Behörden veranstalteten und am Schluss auch noch mitten im Wahlkampf die in München lebenden Asylbewerber in einen Hungerstreik übergegangen sind, erfolgt nach den Wahlen und etwa mit 2 bis 3 Jahren Verzögerung tatsächlich mal ein kleiner humanitärer Zucker in der Landespolitik: Die Ministerin Müller lässt sich tatsächlich zu Vorschlägen für eine mildere Asylpolitik hinreißen.

Das ist doch ein Novum in Bayern. Jetzt wo die Wahlen durch sind und es nichts mehr zu gewinnen gibt, da macht man Zugeständnisse an die Asylbewerber. Klar, man sollte die Regungen der einzelnen MinisterInnen der CSU nicht überinterpretieren, aber wie passt das mit den Wahlen zusammen? Vor allem da die CSU die Wahlen mit dem Versprechen einer Autobahn-Maut für Ausländer an den Stammtischen gewonnen hat. Wer auf der einen Seite eine „Ausländer-mit-Auto“-phobile Wahlkampftaktik fährt, der kann ja im Wahlkampf gar keine Zugeständnisse an Asylbewerber machen. Asylbewerber machen in Bayern weniger Umsatz als die Holländerhorden auf dem Weg zum Mittelmehr und zurück – die mit ihren endlos langen Wohnwagenketten die Autobahnen zu den längsten Parkplätzen Deutschlands verwandeln und vor lauter im Stau rumstehen irgendwann mal anhalten und tanken müssen. Kommen bei diesem Verständnis nicht eigentlich die Asylbewerber weit unterhalb des Reifengummiabriebs der Holländischen Wohnwägen?

Aber vielleicht ändert sich ja alles mit einer Abkehr von den Essenspaketen? Wenn man Essenspakete durch Einkaufsgutscheine ersetzt, dann kann man steuern, wo und wie viel die Asylbewerber einkaufen. Weil Einkaufsgutscheine nicht dazu da sind, wie Bargeld, in jedem beliebigen Geschäft für jede beliebige Ware eingelöst zu werden. Schön, dass man dann eine Steuerungsfunktion hat, mit der man politisch gewollte und wirtschaftlich missglückte Einkaufsgelegenheiten zu etwas Umsatzstabilisierung verhelfen kann. Ein herrliches Steuerungsinstrument für die Politik.

Ein echter Griesgram fragt sich dann aber, wo dieses Geschäft sein soll, wenn man 30 Personen im Corlette Circle unterbringen will. Weil für 30 Personen, die im Monat etwa 300 bis 400 € zur Verfügung haben, lässt sich kein Geschäft ernsthaft betreiben. Und wenn man nun den Asylbewerbern wieder Einkaufsgutscheine für die Innenstadt oder das E-Center gibt, so stellt sich die Frage der Mobilität. Denn ein Asylbewerber kann kein PKW anmelden und der ÖPNV rund um Kitzingen ist bestenfalls auf überörtliche Verbindungen ausgelegt. Den Stadtbus hat der Stadtrat in seiner weisen Blindheit als Konkurrenzprodukt zu seinem geliebten Anruf-Sammel-Taxi kaputt gemacht und ein Transport der Asylbewerber mit dem Anruf-Sammel-Taxi ist letztendlich auch eine defizitäre Angelegenheit. Außerdem: Was soll ICH denn bitte davon halten, wenn ICH selbst zum Einkaufen fahren muss und Asylbewerber mit dem Taxi vorgefahren werden? Da werde ICH doch auch mal schnell zum Rassisten und Fackelträger – oder? Kann ja nicht angehen, dass ICH den ganzen Tag hart arbeiten muss und am Ende des Tages auch noch selbst einkaufen fahren muss und die Asylbewerber…  – also echt… Das geht doch genauso wenig wie Holländer kostenlos auf MEINEN deutschen Autobahnen!

Nun gibt es ja auch Alternativen. Zum Beispiel könnten wir Ihnen die Einkäufe bringen. Oh, Moment mal – Zur Zeit bekommen sie ja auch das Essen gebracht. Das nennt sich dann Essenspaket. Mist, dann fällt ja das ganze Gebilde in sich zusammen.

Kann es vielleicht sein, dass am Ende des Tages die gut gemeinte Begrenzung auf 30 Asylbewerber im Corlette Circle und die leicht mildere Asylpolitik der Staatsregierung dazu führen, dass das Leben für die im Corlette Circle untergebrachten Asylbewerber noch viel härter wird? Bei 150 Personen hätte sich die Einrichtung einen eigenen Laden einrichten können, den Asylbewerber für andere Asylbewerber führen. Es wäre nicht nur jedem dort untergebrachtem Individuum möglich gewesen, sich frei für das eine oder andere Produkt zu entscheiden, was für uns im Supermarkt ja alltäglich ist. Es wäre auch eine Beschäftigung für die Asylbewerber gewesen, die die endlosen Monate bis zur Bearbeitung Ihrer Anträge verkürzt hätte. Aber klar, wir sind keine Rassisten in Kitzingen. Wir wollen, dass es unseren Asylbewerbern gut geht und sie nicht in große Lager stecken. Deswegen begrenzen wir die Größe der Lager, dann sind es ja nur noch kleine Lagerchen. Und den Rest bringen wir dann irgendwie „dezentral“ unter. Dann organisieren sich die Asylbewerber auch nicht mehr, um Hunger zu streiken oder nach Berlin zu laufen. Gut dass wir trotz der lang zurückliegenden Kolonialgeschichte Deutschlands immer noch ganz genau wissen, was für Die am besten ist.

 

Disclaimer: Die Griesgram-Glosse ist ein satirisch angelegter Meinungs-Beitrag. Er enthält Überspitzungen, Ironie, Sarkasmus und weitere Stilelemente der Sprache, die ein Verständnis im Kontext erfordern und nicht wörtlich zu interpretieren sind. Die grundsätzlich scharfe und griesgrämige Glossenform ist das Markenzeichen dieser Lokalglosse und nicht als Angriff zu verstehen.