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Livestreaming aus Angst vor dem Internet abgelehnt

Auf der letzten Gemeinderatssitzung wurde der Antrag der ödp beraten (wir berichteten), zukünftig die Sitzungen des Stadtrats auf der Seite der Stadt für alle Bürger mit so genannten „Livestreaming“ online zu übertragen. Nach einem Versuch der CSU, dieses Thema von der Tagesordnung zu kicken, wurde der Antrag am Ende knapp, aber mit bizarren Argumenten abgelehnt.

Bereits vor der Behandlung des eigentlichen Antrags, wurde versucht das Thema „Livestreaming“ zu kippen. Herr Moser (CSU) stellte, als noch die Tagesordnung beraten wurde, den Antrag an den Stadtrat, den Punkt von der Liste zu streichen. Die Begründung war ebenfalls unabhängig von der Sachfrage: Ein Livestreaming verbiete die aktuelle Fassung der Geschäftsordnung des Stadtrats. Folglich müsse die Geschäftsordnung geändert werden. Und der im März neu gewählte Stadtrat müsse sowieso eine Geschäftsordnung beschließen und solle dies doch dann gleich mitbeschließen oder ablehnen.

Die Diskussion ob man den Tagesordnungspunkt diskutieren will war ein guter Auftakt in dieses Thema, dass auch in anderen Gemeinden und Städten umstritten ist. Dabei steht das Interesse von Bürgern an der Politik ihrer gewählten Vertreter im Mittelpunkt. Klar, dass die gewählten Vertreter darauf eine ganz eigene, plötzlich bürgerferne Sicht haben. Daraus machte auch der OB Müller (UsW) keinen Hehl, denn er offenbarte schon bei dieser Diskussion um die Bearbeitung des Tagesordnungspunktes, dass er auf keinen Fall dafür sein könne. Die Begründung seiner Ablehnung muss sich für progressive „Digital Natives“, also die aktuell mit dem Internet und den neuen Medien heranwachsende Generation, wie ein Nachhall aus dem dunklen Mittelalter angehört haben:

„Weil so viel Schindluder in den Neuen Medien getrieben wird!“

Aber anscheinend ist dem Oberbürgermeister nicht mal das Fernsehen oder der Unterschied zwischen Fernsehen und Livestreaming bekannt:

„Ich will als Oberbürgermeister bestimmt nicht im Fernsehen gezeigt werden!“

Stadtrat Pauluhn, nahm das ganze mit Humor und spöttelte:

„Ich hätte als Oberbürgermeister kein Problem damit, dass ich im Fernsehen bin.“

Endlich zum Thema Livestreaming

Später in der Sitzung, als der Tagesordnungspunkt „Livestreaming“ endlich dran war, sollte der Antragssteller Pauluhn seinen Antrag vorstellen. Dieser tat es – während viele Stadträte eher gelangweilt bis desinteressiert seinen Ausführungen folgten. Dazu zählt Pauluhn beispielsweise positive Auswirkungen auf den Stadtrat. In Pfaffenhofen, wo bereits Livestreaming umgesetzt ist, würden 750 Bürger regelmäßig die Livestreams verfolgen, mehr als in die größte Turnhalle Pfaffenhofens passen würden. Livestreaming ist auch familienfreundlich, denn ein politisch interessierter Elternteil kann vermutlich in den wenigsten Fällen um 18 Uhr Donnerstags im Rathhaus sein und teilweise bis 23 Uhr ausharren. Ebenfalls ermöglicht es dem Bürger, in der nachher online gestellten Version nachzusehen oder zu nachzuhorchen, was besprochen wurde. Sofern der Bürger bestimmte Interessen hätte, könne er beispielsweise zu dem bestimmten Tagesordnungspunkt vorspulen und nur diesen ansehen. Auch ist es eine Möglichkeit der Parteien, sich selbst, unabhängig von der verzerrten Berichterstattung der Mainfränkischen Medienlandschaft, mit ihren Argumenten darzustellen. In einer Anspielung auf Müllers erste thematische Anflüge in der Aufstellung der Tagesordnung meinte Pauluhn noch:

„Auch ist es zwar in Pfaffenhofen noch nie vorgekommen, trotzdem wäre es nicht minder interessant, wenn der sich der Oberbürgermeister, der die Sitzungen leitet, selbst nicht zeigen lassen wolle.“

Danach ergriff der junge Stadtrat Müller (ebenfalls UsW) das Wort in Unterstützung seines Vaters für ein recht kurzes Statement:

„Ich bin gegen den Antrag. Das Geld dafür sollte man lieber in Kindergärten stecken!“

Der Verwaltungsbeamte Hartner führte aus, dass es technisch und rechtlich möglich sei. Danach versteifte er sich jedoch auf die These, dass es nötig sei, dass alle Stadträte dabei mitmachen würden. Denn wenn 5 – 8 Personen der 30 Stadträte nicht mitmachen würden, so sei dies alles nicht „im Sinne der Demokratie“. Wie sich diese These jedoch genau begründet blieb den durchaus interessierten Zuhörern unklar.

Herr Moser (CSU), der vorher noch versucht hatte, das Thema von der Tagesordnung zu wischen, hatte nun plötzlich großen Gefallen an der Idee gefunden. Er sagte, es brauche heute schon Livestreaming, denn dann könne der Bürger sehen, dass es bei der CSU keinen Fraktionszwang gäbe. Er werde dafür stimmen – der Rest der CSU werde das Ansinnen Pauluhns ablehnen. Ein Besucher im Publikum raunte an dieser Stelle:

„So leicht entlarvt man sich selbst.“

Der Stadtrat Schmid (UKP) kündigte Zustimmung für das Vorhaben an. Er hielt seinen Stadtratskollegen dann den Spiegel vor:

„Jede Gruppierung hier herinnen hat das ‚transparente Rathaus‘ gefordert. Und es ist immer noch Dunkel!“

Auch der erste Bürgermeister Christoph (KIK) befürwortete den Gedanken, die Sitzungen des Stadtrats live zu übertragen. Er schleuderte in die Richtung seines Rivalen bei der 2014 erneut anstehenden Wahl des Oberbürgermeisters, dass sich jemand, der sich für ein solches Amt aufstellen lässt, auch wie im Bundestag gezeigt werden können müsse.

Das ließ der OB Müller auf sich wiederum nicht sitzen:

„Was ich im Netz preisgebe, das möchte ich immer noch selbst bestimmen!“

Auch dies wurde auf der Besucherbank wieder durch ein vernehmbares Raunen eines Besuchers kommentiert:

„Und wenn du dran glaubst, dass du das auch konnerst [Anmerkung: Dialekt], dann bist du ein weltfremder Depp.“

Am Ende zweifelte der Stadtrat Weiglein (CSU) nochmal daran, dass es rechtlich möglich wäre. Denn im Schwarzwald, also in Baden-Würtenberg, wurde ja auch ein Streaming in einer Gemeinde eingestellt. Was er dabei allerdings vergessen hatte war, dass Bayern und Baden-Würtenberg unterschiedliches Kommunalrecht haben.

Am Ende wurde über einen Livestream aus dem Stadtrat abgestimmt und dieser 13 zu 17 abgelehnt. Vor allem die CSU (bis auf Moser) und die UsW stimmten dagegen. Auch die Variante, erst die ganze Veranstaltung aufzuzeichnen, die gewünschten Personen dann rauszuschneiden und dann erst das Video bis zur nächsten Stadtratssitzung online zu stellen scheiterte mit dem gleichen Stimmenverhältnis.