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„Marshall Heights versus Siedlung wäre viel zu einfach!“

Auf der Bürgerversammlung für die Innenstadt – auf der das Wohnraumkonzept 2030 vorgestellt wurde – fand eine richtig lebhafte Diskussion über den Wohnraum in Kitzingen statt.

(Foto: Rückbau struktureller Leerstände in der Schrannenstrasse 2015)

Die Bürgerversammlung wurde lediglich vom Oberbürgermeister Müller und dem Bauamtsleiter Graumann geführt. Zuerst stellte Graumann in kurzen und knappen Worten die Resultate des Wohnraumkonzeptes vor; die Stadt stelle sich auf irgendwas zwischen Stagnation und Schrumpfung und somit einen Wohnungsüberhang ein. Man hatte gegengerechnet, dass man für die Wohnungen in den Marshall Heights 9,3% Bevölkerungswachstum brauche – oder 5,7% wenn man sonst keine Bautätigkeit mehr treibe. Paare würden immer seltener zusammen ziehen – in folge dessen würde die Belegungsdichte von 2,1 Einwohnern pro Wohnung auf 1,9 Einwohnern pro Wohnung sinken. Das sei eben Trend.

Die rund 50 Besucher hörten den Ausführungen des Bauamtsleiters zu, der Fragen und Diskussionen am Ende seines Vortrags einordnete. Daraus entspann sich dann aber eine lebhafte Diskussion.

Oberbürgermeister Müller meinte, dass nur durch die Entwicklung der Larrson Karserne (jetzt innopark) und der Harvey Karserne (jetzt ConneKT) die Bevölkerung entgegen dem Trend im Landkreis gehalten werden konnte. Gleichzeitig bat er um Verständnis, wenn es manchmal so aussehe, dass bei der Konversion alles viel zu langsam gehe.

„Das ist alles nicht so einfach.“

Zu den Problemen zählte er unter anderem die ordnungsgemäße Übergabe der Baulast von Kanälen und Straßen an die Stadt – denn der Steuerzahler solle ja nicht die Erschließungskosten der Konversionsflächen bezahlen. Dennoch sei sich Oberbürgermeister Müller zuversichtlich, dass man die Marshall Heights schon entwickeln werde.

Schlechte Wohnraumqualität steht offenkundig leer

Die erste Frage einer Bürgerin ziehlte auf die im Wohnraumkonzept gelisteten leerstände von 9% in der Innenstadt und in der Siedlung.

„Welche Bauqualität steht denn leer?“

Bauamtsleiter Graumann erklärte, dass dies im Wohnraumkonzept nicht untersucht worden wäre. Aber sein Eindruck sei es, dass schlechte Qualität leer stehe.

Bezüglich der Leerstände in der Siedlung wurde genau so nachgefragt. Hier entmietet die Kitzinger Wohnbau seit einiger Zeit einige Geschosbauten in der Breslauer Straße um diese abzureißen und den nicht mehr nutzbaren Wohnraum ganz oder teilweise zu ersetzen. Eine Sanierung sei teurer als der Neubau. Hier fragte die Bürgerin gezielt nach, wie viele Wohnungen denn dadurch leer ständen. Die ungefähre Antwort war 100 Wohneinheiten.

„Dann kann man doch gar nicht über echten Leerstand reden!“

Für den Ausruf erntete die Bürgerin einigen Applaus, worauf Oberbürgermeister Müller in die Diskussion eingriff und gestand:

„In der Siedlung und der Altstadt ist auch ein gewisser Sanierungsstau.“

Dennoch könne man nicht in der Siedlung 100 Wohneinheiten wegstreichen und in den Marshall Heights einfach 100 neue aufmachen. Dies hätte Folgekosten für sich, da beispielsweise die Schulwege deutlich länger würden oder die Existenz von Kindergärten in der Siedlung langfristig gefährdet würde.

Dennoch beharrte die Bürgerin darauf:

„Ich würde mir wünschen, dass die Leerstände korrigiert werden.“

und erntete dafür abermals Applaus.

Schade an der Stelle war, dass eine Auskunft der Stadtverwaltung an die Gemeinderäte offensichtlich nicht herangezogen oder wiedergegeben wurde. Die ödp-fraktion hatte bereits bezüglich des Wohnraumkonzeptes nachgefragt, wie viele Wohnungen im Leerstand den Stadteigenen Baugesellschaften gehören würden.

Anfrage des ödp-Stadtrates Pauluhn zum Leerstand
Anfrage des ödp-Stadtrates Pauluhn zum Leerstand
Detaillierte Auflistung der "stadteigenen" Leerstände - 115 Wohnungen stehen leer.
Detaillierte Auflistung der „stadteigenen“ Leerstände – 115 Wohnungen stehen leer.

Würde man dn Leerstand in der Siedlung damit bereinigen, würde die Siedlung auf das normale Leerstandniveau Kitzingens von 5% bis 6% aufsteigen.

Diese Rechnung geht so nicht auf!

Eine andere Bürgerin verbiss sich in den Angaben des Wohnraumkonzeptes. So seien angeblich 20.400 Erstwohnsitze in Kitzingen. Es würden 2,1 Bürger eine Wohnung belegen und es gäbe angeblich 10.400 Wohnungen in Kitzingen.

Aber zu den 20.400 Erstwohnsitzlern kämen ja noch Zweit- und einige Drittwohnsitzler dazu, man müsse die Flüchtlinge mit Bleiberecht in den normalen Wohnungen der dezentralen Unterbringung noch hinzuzählen. Wie solle das zusammenpassen?

Hier musste dann auch der Bauamtsleiter feststellen:

„Ihre Rechnung geht so nicht auf.“

Das geht allerbestenfalls zahlenmäßig!

In der weiteren Diskussion um Wohnungsplatzzahlen, Zuzug und die Chance für Kitzingen, die in den Marshall Heights liegt, musste auch Oberbürgermeister Müller eingestehen, er habe die vielen Kennzeichen von weit her am Tag der offenen Tür in den Marshall Heights wahrgenommen. Bauamtsleiter Graumann argumentierte immer wieder, dass es nicht so einfach sei, die Marshall Heights gegen die Altstadt oder die Siedlung aufzurechnen. Das ginge bestenfalls nur auf dem Papier mit Zahlen.

Die Altstadt wird keiner wegbrechen wollen!

Ein anderer Interessanter Teilaspekt war die Diskussion um die Aufgabe von nicht mehr nutzbaren Wohnraum. Für die Stadt sei klar, dass niemand die Altstadt wegbrechen wolle. Doch auch hier wurde mit dem vorgestellten Wohnraumkonzept sehr großzügig umgegangen, denn dieses fordert gerade zu den Abbruch von „strukturellen Leerständen“. Allgemein wurde nur die Präsentation des Wohnraumkonzeptes aus dem Stadtrat wiederholt. Und während Graumann gesprochen hatte, konnte man beobachten, wie der Oberbürgermeister in dem Wohnraumkonzept blätterte – anhand der abgedruckten Grafiken auf den Seiten war dies wohl eindeutig zuzuordnen. Und so konnte man Besucher der Bürgerversammlung tuscheln hören, dass Oberbürgermeister Müller das Wohnraumkonzept selbst erst jetzt in der Hand halte.

Folglich kann man die Äußerung in Frage ziehen, dass es wirklich keinen Abriss in der Innenstadt geben werde, auch wenn dieser vom Wohnraumkonzept empfohlen werde. Zumal sich das Wohnraumkonzept zum Beispiel am Goldenen Löwen oder in der Schrannenstraße, was den Abriss angeht, bereits voll in die Realität umgesetzt hat.

„Mut zum Rückbau struktureller Leerstände!“ (Wohnraumkonzept, Seite 49)

Himmelweiter Unterschied bei der Wohnungsqualität

Ein Anwohner des Marktplatzes äußerte, dass man bei der Wohnungsqualität „himmelweite“ Unterschiede feststellen könne. Er selbst lebe nur noch da, da er bereits gewisse Altersgebrechen habe. Daran knüpfte Oberbürgermeister Müller an und erzählte, dass vermehrt ältere Menschen in die Innenstadt zögen. Die Apotheken und Ärzte seien hier alle gleich um die Ecke. Nur bei der Nahversorgung mit dem Netto gäbe es bekannterweise Probleme. Aber es sei letztendlich eine Abstimmung mit den Füßen, ob sich lokale Läden halten könnten. Graumann wies hier nochmal auf das Einzelhandelskonzept hin.

Eine Innenstadtbewohnerin redete sich danach in Rage: Wer eine tolle Wohnung habe, der gehe niemals hoch in die Marshall Heights. Und wo einfach schlechte Bauqualität sei, sei eine Abwanderung doch wünschenswert:

„Hey, dann hat er [der Eigentümer] endlich Platz um sie [die Wohnung] mal zamzurichten!“

Eine andere Meinung war:

„Wenn bei den vielen Firmen, die rund um Kitzingen kommen, wir keine neuen Wohnungen brauchen, dann haben wir die falschen Firmen hierhergeholt!“

Das schwör ich Ihnen!

Ein anderer Bürger fand die Marshall Heights eine gewaltige soziale Aufgabe für die Stadt, hier könne diese endlich Wohneigentum in Schichten schaffen, die sonst nie Wohneigentum erlangen könnten. Die Ankündigung, dass die Marshall Heights ausschließlich positive Wirkungen auf Kitzingen hätten, unterstich der Bürger mit einem lautem „Das schwör ich Ihnen!“ und erntete dafür Applaus.

Auch der berühmte Ausspruch „trau keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast“ erntete Applaus und Zustimmung.

Der Erfahrungsbericht eines Kitzinger Bürgers, der eine Wohnung mit Lift gesucht hätte und nichts unterhalb von 1000€ Kaltmiete finden konnte, wurde beklatscht.

Wittmann äußert sich ebenfalls

Der Eigentümer der Marshall Heights hatte dann irgendwann auch mal das Mikrofon in die Hand bekommen. Er stellte bezüglich der gefälschten Statistik klar:

„Es geht doch nicht um Prognosen. Sondern es geht um tatsächliche Nachfrage.“

Er hätte 296 ernsthafte Anfragen am Tag der offenen Tür erhalten. Davon seien 107 nicht aus Kitzingen. Außerdem sei jedem mit etwas Realitätssinn klar, dass man 750 Wohnungen nicht auf einen Schlag entwickeln könne. Auch nur 350 Wohnungen pro Jahr – wofür die Nachfrage bestehe, halte er nicht für leistbar:

„Das ist wie heiße Klöße essen.“

Aber eigentlich wollte er sich gar nicht zu seinem Immobilienprojekt im Westen von Kitzingen äußern, sondern das Innenstadtkonzept, welches den Einzelhandel einschränke, stößt ihm auf. Er bezeichnete das Innenstadtkonzept für den Einzelhandel als „Unsinn“, der alle paar Jahre verlängert werden muss und viele Entwicklungen in Kitzingen bereits verhindert hat. Wenn man nach Rottendorf schaue, sei es kein Wunder das in der Kitzinger Altstadt die geschäfte leer stehen.

Er fuhr fort mit dem Vorschlag, eine die abgerissenen Gebäude in der Breslauer Straße mit einem Mischgebiet zu überbauen – unten mittelgroße Geschäfte, die von vorne – also von der B8 erschlossen würden und Rückseitig den Aufgang zu den Wohnungen.

Oberbürgermeister Müller war weniger angetan von der Idee – schließlich könne man ja auch nicht den Lärm eines Großhandels in der Siedlung wollen. Und Bauamtsleiter Graumann äußerte blankes Unverständniss für die Regionalplanung und die Projekte in den umliegenden Gemeinden.

Danach driftete die Diskussion in eine Privatfede zwischen dem Oberbürgermeister und einem Bürger, der ein Gebäude in Kitzingen saniert hatte und dabei sich um die zugesagte Förderung im Rahmen eines der Förderprogramme in der Innenstadt geprellt fühlte ab.

Übergang zwischen Mainbrücke und Fußgängerzohne wird pünktlich fertig.

Am Ende gab es noch einen kurzen Bericht zur aktuell im Bau befindlichen Umgestaltung der Mainbrücke. Diese soll am 30.6. pünktlich fertig gestellt werden.