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Neue Karten für den Landkreis Kitzingen sind nicht genug

Finanzstaatssekretär Johannes Hintersberger stellte am vergangenen Freitag neue Karten für den Landkreis Kitzingen der Kartenserie „AKT25“ vor. Doch ist das wirklich genug?

Die ersten Exemplare der neuen Karten überreichte Finanzstaatssekretär Johannes Hintersberger den anwesenden Vertretern der Kommunalpolitik. Er hatte zur Vorstellung der neuen Karten an den symbolwichtigen Punkt des neuen Dreifrankenstein geladen, jener Punkt, an dem Ober-, Mittel- und Unterfranken zusammenstoßen. Auch der Landkreis Kitzingen stößt hier mit 2 anderen Landkreisen an. Bei der Vorstellung dieser neuen Kartenserie im Maßstab 1:25000 am Freitag, stellte er fest:

„Die amtlichen Topographischen Karten sind für Einheimische und Touristen ein wichtiger Ratgeber für Planungen und Ausflüge. Auch im Zeitalter von Smartphones und Apps sind gedruckte Karten auf Papier nach wie vor unverzichtbar.“ (Finanzstaatssekretär Johannes Hintersberger)

Die neuen Kartenserie, die für ganz Bayern derzeit neu angefertigt wird, wird aus den digital vorliegenden Geodaten der Bayerischen Vermessungsverwaltung in verschiedenen Maßstäben abgeleitet.

Volkach topographisch
So sieht die neue Karte aus 1:25 000

Die beiden neuen Karten von Volkach und Schüsselfeld der Kartenserie ATK25 bilden zusammen eine Fläche von rund 900 km² ab. Das sehr detailreiche Kartenbild von 1:25.000er Karten ist insbesondere für den Freizeitbereich interessant.

„Mehr als 2.000 km Wanderwege, 1.700 km Radwege und viele hervorgehobene Sehenswürdigkeiten und Ausflugziele der Region machen diese Karten zum idealen Begleiter.“ (Hintersberger)

Markiert sind beispielsweise die Volkacher Mainschleife, die Benediktinerabtei Münsterschwarzach oder Schloss und Schlosspark Castell. Für GPS-Anwender ist ein exaktes UTM-Koordinatengitter ebenso selbstverständlich wie die sogenannte Schummerung, die Berge und Täler plastisch erscheinen lasse.

Castell im Detail
Castell im Detail

Die neuen Karten sind zum Preis von jeweils 8,90 Euro im Buchhandel oder im Internet erhältlich. Bis Ende 2016 soll Bayern flächendeckend in 237 Blättern abgebildet sein. Bislang liegen bereits über die Hälfte der neuen Kartenblätter vor.

Kitzingen ist laut Landesamt kein „interessantes, zusammenhängendes Gebiet“

Wenig Gefallen an den neuen Karten dürften die Kitzinger Gäste, darunter auch in den Sommermonaten viele Radtouristen, haben. Denn die werden beim Wechseln der Mainseite – also bei Wegen innerhalb der Stadt – umblättern dürfen. Aus Kitzinger Sicht dürften die Karten damit keinen großen Wert für den Tourismus haben, denn eine zusammenhängende Darstellung der Freizeitmöglichkeiten um Kitzingen herum erbringen die vorgestellten Karten nicht. Und das obwohl der Landkreis sich touristisch einheitlich vermarktet.

So sieht Kitzingen auf der neuen Karte aus. Sie kostet 8,90 €
So sieht Kitzingen auf der neuen Karte „Volkach“ aus. Sie kostet 8,90 € und teilt Kitzingen längst des Mains

Auf die Anfrage, ob für zusammenhängende Touristische Regionen weitere, eigene Karten erstellt werden, die sich mit den Rasterkarten überlappen, antwortete Herr Scheugenpflug (Pressesprecher) folgenderweise:

[Bei der Erstellung von Karten] werden auch touristische Gesichtspunkte berücksichtigt. Beispiel hierfür sind die Umgebungskarten im Maßstab 1:50.000, die neben Sehenswürdigkeiten und Ausflugszielen auch das aktuelle Wander- und Radwegenetz einer Region beinhalten. Durch verschiedene Maßstäbe (1:25.000, 1:50.000, 1:100.000) kann je nach Anwendungsbereich die ideale Karte verwendet werden. Durch passende Wahl des Blattschnitts wird der „Durchschnitt“ interessanter, zusammenhängender Gebiete am Kartenrand vermieden.“ (Stefan Scheugenpflug)

Auf das „Ende der Karte“ bei Kitzingen ging er nicht näher ein, anscheinend ist Kitzigen kein „interessantes, zusammenhängendes Gebiet“.

Kitzingen in der unteren linken Ecke der Karte
Kitzingen in der unteren linken Ecke der Karte
Iphofen wurde auf dr Karte auch zerschnitten, so hat es das Knauf-Hauptwerk, ein markanter Orientierungspunkt nicht auf die Karte geschafft.
Iphofen wurde auf der Karte auch zerschnitten, so hat es das Knauf-Hauptwerk, ein markanter und weithin sichtbarer Orientierungspunkt, nicht auf die Karte geschafft.

Geodaten sind ein wichtiges Wirtschaftsgut

Die Daten aus denen die Karten erstellt werden, sind nicht nur als Karten, sondern auch als Rohdaten wichtig. Verschiedene Gewerbliche Anwendungen buhlen daher um die besten Kartendaten, um daraus gezielt geschäftliche Entscheidungen zu treffen. Eine Wärmedämmfirma aus Österreich hatte beispielsweise anhand von Kartendaten die Gebäudeumrisse errechnet und aufgrund der Lage der Gebäude auf deren vermutliche Höhe geschätzt. Zusammen mit einer statistischen Publikation zum Heizenergieverbrauch wurde daraus ein klares Vertriebsraster, wo die am wenigsten gedämmte Häuserfassaden stehen. Und dorthin wurden dann die Vertriebsaktivitäten ganz gezielt gelenkt, da hier der größte Umsatz in nächster Zeit zu machen sein wird. Dabei ist weniger das 100%-Exakte Ergebnis wichtig, als das allgemeine Abwägen, welche Gebiete interessant sind.

Dieses Aufspüren von Geschäftsmöglichkeiten nennt die Industrie „Data Intelligence“ und es hängt ganz massiv auch von Geodaten ab. Diese Daten kann man beim Vermessungsamt beziehen, aber für kommerzielle Anwendungen und gewisse Detailtiefen muss man oft viel Geld in die Hand nehmen. Ein Oberflächenmodell im 1m-Raster kostet beispielsweise 80 € / km². Für die 900 km² aus Volkach und Schlüsselfeld vorgestelltes Kartenmaterial also 72.000€. Und damit erhält man nur die Höhenangaben, der ganze Rest der Karte aber fehlt noch.

Bayerische Geodaten-Politik festigt den Stand von Google Maps

Gerade für Junge Unternehmen, sogenannte „Start-Ups“, sind solche Daten somit absolut unerschwinglich. Und dabei hatte der Freistaat Bayern unlängst die Initiative „Gründerland Bayern“ ausgerufen. Im Rahmen junger, kreativer Unternehmen entstehen oft neue Geschäftsmodelle, oft basierend auf Apps. Und die brauchen oft Geodaten. Im Innopark in Kitzingen wurde zum Beispiel vor kurzem ein Gründerzentrum eröffnet, in dem junge Unternehmen Büros anmieten können um einen besseren Start zu haben.

Stefan Scheugenpflug, ein Sprecher des Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, meint dazu:

„Für die gewerbliche Nutzung können die Daten gegen Entgelt verwendet werden. Die Gebührenerhebung ermöglicht eine faire Lastenverteilung zwischen dem Steuerzahler und den Unternehmen, die auf Grundlage der amtlichen Geodaten Gewinne erwirtschaften. So nutzt z. B. auch Google Geodaten der Vermessungsverwaltung und entrichtet dafür Lizenzgebühren.“ (Stefan Scheugenpflug)

Für die vielen Startups, die für den deutschen Raum Apps entwickeln, bedeutet das, in Ihren Apps Google Maps als Datengrundlage zu verwenden. Google Maps bietet eine gut dokumentierte Schnittstelle, ist leicht zu verwenden und für die Entwickler von Apps vollkommen kostenlos. Damit müssen Startups auf private Geodatendienste wie Google zurückgreifen und können nicht amtliche Daten verwenden.

Außerdem bestimmt das Landesamt damit vorab, welchen wirtschaftlichen Mehrwert Geodaten erbringen müssen, da sonst eine Verwendung unwirtschaftlich ist. Doch dieser Gedanke wiederspricht vollkommen dem, was die Startup-Szene macht. Startups, also Kleinunternehmen, die vor kurzem gegründet wurden und gut laufen, sind die positive Auswahl aus den Gründungen. Also die, die es geschafft haben. Man kann aber kaum vorherbestimmen, welche App in einem oder zwei Jahren den Nerv der Zeit trifft; während die eine App eine hohe Verbreitung erreicht, schafft es die andere vielleicht nie in den AppStore.

Bei den neuen Kartenblättern enthält  die Rückseite ebenfalls Info
Bei den neuen Kartenblättern enthält die Rückseite ebenfalls Informationen

Geodaten werden ohnehin erzeugt und digital vorgehalten

Auf die Frage, ob die Papierkarten irgendwann mal sterben würden, antwortete Stefan Scheugenpflug:

„Die Vermessungsverwaltung hat den gesetzlichen Auftrag, topographische Karten als „Daseinsvorsorge“ herzustellen. Die Kartenwerke werden unabhängig von der Nachfrage

  • flächendeckend in ganz Bayern
  • regelmäßig (zuverlässig über einen langen Zeitraum hinweg)
  • aktuell und nach einheitlichen Standards

erstellt.“ (Stefan Scheugenpflug)

Damit ist, solange, der gesetzliche Auftrag zur Herstellung der Karten gegeben ist, auf jeden Fall die Herstellung der Geodaten gesichert. Laut Stefan Scheugenpflug werde bereits heute der gesamte Geodatenbestand digital verwaltet:

Die Erfassung und Führung von Geodaten bei der BVV erfolgt heute vollständig digital. Die Daten werden mit modernen Methoden aus digitalen Luftbildern und Befliegungen mit Laserscannern aktuell gehalten. Daneben liefern die bewährten und unumgänglichen Vor-Ort-Aufnahmen weitere Informationen, die für die Aktualisierung der Geodaten gebraucht werden. Eine vollautomatisierte Erstellung kartographisch hochwertiger Produkte ist nicht möglich!“ (Stefan Scheugenpflug)

Was wäre moderne Geodatenpolitik für die Region?

Doch bei vielen der Programmen und Apps, die mit Geodaten arbeiten, geht es gar nicht so sehr um die Hochwertigkeit der Kartografie, sondern viel mehr um ein Grundgerüst. Und eine App, die den Weg zur Tankstelle zeigt, ist für das Dasein heute entscheidender als eine hochwertige topografische Karte. Die Verwendungsmöglichkeiten der Geodaten sind vielfach größer und selbst wenn der Freistaat nun eine eigene App auf den „Bayernatlas“ draufsetzt, er erreicht damit doch nicht alle potenziellen Anwendungen.

Es finden sich dort nützliche Hinweise
Es finden sich dort nützliche Hinweise

Wichtiger wie symbolhafte Papierkartenübergaben wird es sein, in Zukunft den Schatz der Geodaten Allen zur Verfügung zu stellen. Das schöne an Daten ist, man muss sie nicht aufteilen, sondern man kann sie millionenfach kopieren und hat immer noch die gleichen Daten da. Die Vervielfältigungskosten, sind, anders wie bei Papierkarten, im digitalen unglaublich gering.

Derzeit kauft Google diese Daten und bietet sie anderen zum Entwickeln von Apps an. Doch jeder Aufruf von Google Maps, egal ob direkt oder über eine andere App, jede Suche nach einen Ort oder einer Route, erweitert das personalisierte Profil des Suchenden bei Google. Den Vorgang des millionenfachen Kopierens und der Verwertung hat der Freistaat somit in die Privatwirtschaft ausgelagert, die dafür nach unseren persönlichen Daten greift. Es ist eine dunkle Dystrophie, wenn Daten, die aus Gründen der Daseinsvorsorge auch mit unseren Steuergeldern erhoben werden, von uns in der alltäglichen Verwendung nochmal mit der Preisgabe persönlicher Informationen an Weltkonzerne zurückgekauft werden müssen.

Eine moderne Geodatenpolitik ermöglicht allen den uneingeschränkten Zugriff auf alle Informationen. Das würde jedem App-Entwickler die Wahl lassen, ob er Google Maps oder direkt die Daten aus der Vermessung nimmt. Damit wäre der Datenkrake „Google“ in diesem Bereich das Monopol zu nehmen, ohne eine solche Änderung wird es immer schwieriger, je länger das so bleibt.

Wir danken dem Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung für die Bereitstellung des Kartenmaterials für diese Reportage.