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Unüberlegte Kommentierung sprengt beinahe gestrige Bauausschusssitzung

Randbemerkungen und deren Kommentierungen durch den eigentlich moderierenden Oberbürgermeister haben es in sich. All zu leicht lässt sich OB Müller von der moderierenden in eine kommentierende Rolle ablenken. So verhalf Müller gestern unüberlegt einer spitzen Randbemerkung zu dem Potenzial, die Bauausschusssitzung zu sprengen.

Deusterareal, firekt in Sichtweite des Deusterturms verwildert zusenehends.
Deusterareal, direkt in Sichtweite des Deusterturms verwildert zusenehends.

Bei der gestrigen Bauausschusssitzung wurde der Themenpunkt Deusterareal beraten. Die Bayernpartei hatte angeregt, den bestehenden Bebauungsplan des Deusterareals – nachdem die Deusterhalle nicht beschlossen wurde – hinsichtlich der Aktualität seiner Ziele zu prüfen.

Oberbürgermeister Müller begrüßte den Antrag, so könne die Stadt eigene Grundstücke verkaufen und somit der eigenen Kasse was gutes tun. Zumal nur noch 8 entwickelte Bauplätze seitens der Stadt verkauft werden könnten. Auch seitens der CSU wurde der Antrag gut gehießen. Auch wenn es noch ein gewisse und zu klärende Lärmproblematik mit der Bahn und der Straße gäbe.

Doch schon der dritte Wortbeitrag legte die Saat für den späteren Streit: Stadtrat Dr. Pfeiffle, Freie Wähler, äußerte ein gewisses Unverständnis über das Vorgehen:

„Das beißt sich doch mit den Marshall Heights. Hier unten schaffen wir neue Versiegelung, dort oben wollen wir Gebäude abreißen.“

Darauf musste der Oberbürgermeister selbst reagieren: Im Deusterareal entstünden Einfamilienhäuser, in den Marshall Heights gäbe es Geschossbau. Das Deusterareal wäre außerdem eine Top-Lage, da viele Grundstücke einen Mainblick haben würden.

„Das ist überhaupt nicht zu vergleichen! Außerdem ist das im Deusterareal Stadtnah.“

Damit war die eigentlich belanglose Anmerkung über die Marshall Heights als Diskussionspunkt auf- und angenommen.

Zwei Redebeiträge weiter musste Stadtrat Pauluhn (ödp) dem von Dr. Pfeiffle „erweckten Eindruck“ zu den Marshall Heights widersprechen:

„Wenn man sich mal die Straßen und auch das Trinkwassersystem in den Marshall Heights anschaut, muss man feststellen, dass es sich dort oben nicht um vollständig erschlossene Wohnungen handelt.“

Im Deusterareal sei die Erschließung hingegen vollständig. Da Pauluhn immer noch einen Stadtpark im Deusterareal bevorzuge (dieser wurde im Stadtrat ebenfalls abgelehnt), stimme er gegen den Antrag der Bayernpartei. Bezugnehmend auf den Vorschlag von der SPD-Stadträtin Glos, dass ein kleiner Bäcker o.ä. in den Bereich solle, entgegnete Pauluhn, dass wohl eher der Kilian einen Drive-In-Großbäcker bauen würde, was der Innenstadt abträglich wäre.

In eine ähnliche Kerbe schlug der CSU-Stadtrat Rank. Er findet:

„Marshall Heights ist definitiv nicht erschlossen.“

KIK-Stadtrat Steinruck, machte erst noch eine kurze Bemerkung zum eigentlichen Antrag (KIK hat eine klare Position: Stadtpark; dagegen), ging dann aber auch wieder auf die Paralleldiskussion um die Marshall Heights ein. Direkt an seine beiden Stadtratskollegen Rank und Pauluhn richtete er die folgenden Worte:

„Es ist kein guter Stil, über die Marshall Heights anzufangen.“

Das brachte wie auf einen Schlag die Sitzung zur Explosion; die beiden sahen sich zu Unrecht bezichtigt, mit den Marshall Heights anzufangen, da sie ja nur auf Dr. Pfeiffle’s Anmerkung gekontert hätten. Ungefähr zwei Minuten riefen sich die Stadträte wild die Beschuldigungen über den Beginn des „Parallelthema’s“ Marshall Heights zu bzw. verteidigten ihre Fraktionskollegen.

Steinruck selber kämpfte dafür, das Wort wieder zu erlangen und seine Ausführung fortsetzen zu dürfen. Als er weitermachen konnte, befand er es für „unfair“, im Bauausschuss unter fremden Tagesordnungspunkten über die Marshall Heights anzufangen.

„Keiner kann hier Falsch oder Richtig dieser Behauptungen argumentieren. Dafür hat die KIK eine Sondersitzung beantragt. Marshall Heights hat hier jedenfalls noch nichts zu suchen.“

Das letzte Wort in Paralleldiskussionen lässt sich der Oberbürgermeister Müller wie sonst nie nehmen, und so hatte er es auch dieses mal: Energisch bis zornig verurteilte er scharf „dieses Internet“, in dem „in irgendwelchen Internetforen“ die Stimmung unnötig angeheitzt würde. Das müsse er jetzt aber mal so sagen.

Sein Sohn, Stadtrat Müller junior, ebenfalls UsW, durfte dann noch ein paar Sätze zu dem Deusterareal sagen, bevor der Antrag der Bayernpartei, den Bebauungsplan im Deusterareal zu überprüfen, 9:4 angenommen wurde.

Einzige Nutzung des Deusterareals sind bisher Bienenstöcke
Einzige Nutzung des Deusterareals sind bisher Bienenstöcke

Kommentar aus der Redaktion:

Es war für die wenigen Besucher offenkundig, dass Oberbürgermeister Müller den Streit in der Sitzung eigentlich selbst ausgelöst hat: Müller hat den spitzen Vergleich vom Deusterareal und den Marshall Heights vom Stadtrat Pfeiffle einer ausführlichen Kommentierung unterzogen und damit als Diskussionsgegenstand für weitere Wortbeiträge durch die Stadträte Rank und Pauluhn regelrecht geadelt. Er hätte ja auch einfach über die Anmerkung Pfeiffle’s hinweg gehen können, dann wäre weder Pauluhn noch Rank so tief auf das Thema eingestiegen.

Aber was am Anfang eines Tagesordnungspunktes passiert ist, muss man als Sitzungsleiter auch nicht zwangsweise bis zum Ende des Tagesordnungspunktes behalten. Auf jeden Fall redet „dieses Internet“ weder im Stadtrat noch im Bauausschuss nicht als Internetforum noch in einer anderen Repräsentationsform aktiv mit und kann diese Eskalation zwischen den Stadträten wohl somit schlecht verursacht haben.

Die scheinbare Anonymität und Immaterialität des Internets verleitet immer wieder Politiker mit einem durch frühestens Nachkriegstechnologien geprägtem technischem Verständnis dazu, ihre Sündenböcke in jene scheinbare Anonymität und Immaterialität zu schieben. Das für sie scheinbar tolle daran: Man kann öffentlich drauf verweisen, aber es bleibt für alle anderen (gleichen Alters) ungreifbar. Der Nachteil daran: Im Internet gibt es gut funktionierende und leicht zu benutzende Suchmaschienen. Auch nur ein einziges Internetforum, dass nur dazu da ist, „die Stimmung in Kitzingen anzuheizen“, wie es Oberbürgermeister Müller in seinem gestrigen Wutausbruch beschreibt, lässt sich mit keiner Suchmaschine je finden. Man möge es uns andernfalls zeigen.